"Das wäre ihr erster Fall gewesen." Der Konjunktiv ist hier zwar nicht nötig, aber zu Barbara Eders gestrigem „Tatort“-Debüt aus Österreicher passt er einfach. Hier war alles möglich: Ebola kommt von Afrika nach Europa, eine Katastrophe im Landidyll und am Ende wird das Ermittler-Duo in Quarantäne-Särgen aus dem Bild getragen. Das Ende: offen. Man stelle sich vor, Bibi (Adele Neuhauser) und Moritz (Harald Krassnitzer) stürben tatsächlich an Ebola. Ein, zugegeben unwahrscheinliches Szenario, aber aufgelöst wurde die Erkrankung nicht und blieb so als vermutlich nie auserzählter Cliffhanger im „Tatort“-Nirwana zurück.
Übermaß und schlechtes Timing
Erstmals durfte am Sonntagabend die österreichische Regisseurin Eder die größte Bühne des deutschsprachigen Serien-Fernsehens bespielen. Und wie. Sie ließ die großen Geschütze auffahren: Katastrophenkommando, spektakuläre Sprengungen, große Hysterie und das alles in düster gehaltene Bilder verpackt. Dennoch kam die Episode leichtfüßig daher und verhedderte sich nicht im Übermäßigen. Was noch auffiel: Selten waren die Figuren so integer, wie in Rupert Hennings Buch. Ein Krimi, der beinahe ohne Lügen auskommt und in dem (fast) alle nur das Gute wollen und tun. Eine bewusste Irritation, beinahe kitschig. Auf dem daraus gezimmerten hohen moralischen Thron werden aber tatsächlich interessante Fragen über individuelle Freiheit und gesellschaftliche Verpflichtung verhandelt.
Die Schwächen des Falles liegen an anderer Stelle. Er kommt mindestens ein Jahr zu spät ins Fernsehen. Die Ebola-Epidemie ist bereits eine Weile her und „Tatorte“ zum Thema Migration gibt es wie den sprichwörtlichen Sand am Krimi-Meer. Schade ist auch, dass der Fall ohne den typischen Esprit des Duos Fellner-Eisner auskommt. Ihre Rollen hätte über weite Strecken auch ein anderes Ermittler-Team übernehmen können. Vielleicht wirkt auch deswegen, der gesamte Fall merkwürdig deplatziert. Insgesamt kein „Tatort“-Desaster, aber leider auch kein Highlight.
Start-Stop-Auftakt
„Du bist zu früh! Sag einmal, kannst du nicht zu spät kommen, wie jeder normale Mensch auch?“, warf Bibi Fellner ihrem Ermittler-Kompagnon vor. Die (Un-)Tugend des schlechten Timings trifft auch die Programmplaner, immerhin wird die kaum begonnene „Tatort“-Saison diese Woche gleich einmal unterbrochen: Weil in der ARD das große Wahlduell zwischen Merkel und Schulz steigt, muss man sich im ORF mit einem Wiederholungsfall begnügen.
Freuen darf man sich auf das danach Kommende: Am 10. September wartet ein kammerspielartiger, feiner Fall aus Stuttgart („Stau“) , in der Woche darauf folgt eine intensive Episode aus Luzern („Zwei Leben“). Dann ist der Sonntags-“Tatort“ endgültig gerettet.
Ganz ohne (Un-)Möglichkeitsform.