Hugo Portisch sind die Feierlichkeiten zu seinem 90. Geburtstag nicht angenehm. "Ich werde nicht gerne gefeiert. Sich feiern zu lassen, ist eine unjournalistische Eigenschaft", sagt er im APA-Interview. Journalisten "haben neugierig zu sein und Dinge zu beschreiben", nicht aber sich in Eitelkeit zu ergehen und das Rampenlicht zu suchen, ist seine Devise.
Die Rahmenbedingungen für guten Journalismus seien komplexer geworden, sagt Portisch. Das "Erklären halte ich für eine der wichtigsten Aufgaben des Journalisten: Das unterscheidet guten Journalismus von schlechtem, dass er um die Wahrheit bemüht ist. Diese große Aufgabe ist in Zeiten des Internets schwerer geworden." Die eherne Regel "Check-Recheck-Doublecheck", die er in seiner Jugend in einer US-amerikanischen Journalismusschule gelernt habe, sei nach wie vor Richtschnur.
Portisch will aber sicher nicht in Klagen über einen Qualitätsverlust im österreichischen Journalismus einstimmen. "Das ist nicht richtig. Es gibt einige hervorragend gemachte Zeitungen." Er selbst liest sie täglich - "ich beziehe sämtliche österreichische Tageszeitungen", auch wenn das ordentlich ins Geld gehe, wie er scherzt. Von Facebook und Twitter hält er sich dagegen fern: "Da bin ich kein Teilnehmer, das sind nicht meine Medien. Aber sie werden immer wichtiger", und das habe nicht nur positive Folgen
Der Jubilar war einst maßgeblicher Proponent des Rundfunk-Volksbegehrens, das den ORF aus den Klauen der Proporzpolitik befreien sollte. Dass die Parteien auch heute noch im ORF mitreden, wundert Portisch aber nicht: "Die Politik hat immer die Tendenz gehabt. Jeder Generalintendant hat das erlebt. Doch nach dem Volksbegehren hat sich noch jeder wehren können." Die "innere Unabhängigkeit der Redaktion" sei seit damals deutlich gestärkt worden.
Zur Geburtstagsfeier für Portisch im ORF war auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen gekommen. Portisch hatte ihn im Wahlkampf unterstützt. Warum? "Wir dürfen als Staat und als Land nicht in die Nähe von rechten Leuten kommen. Blitzschnell sind wir ein Nazi-Land. Van der Bellen ist ein uneingeschränkt aufrechter Europäer." Die schier endlose Austragung der Bundespräsidentenwahl im Vorjahr war "ein bisschen eine Komödie", sagt er, und hält auch mit seiner Meinung über die Aufhebung des ersten Stichwahlgangs nicht hinter dem Berg: "Diese bombastische Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes habe ich nicht verstanden."
Die Performance der österreichischen Bundesregierung bewertet Portisch milde fordernd. "Wir gönnen der Politik auch wenig Zeit", in Zeiten von Breaking News und Live-Kultur. "Anderereits sehe ich die Politik auch oft zögerlich vorgehen." Ein wenig mehr Mut zu Reformen täte gut - und die Landeshauptleute hätten zu viel Macht. Auch Politik per Schlagzeile sei ein Phänomen, "das es nicht immer gab", doch auf der anderen Seite seien auch die Medien bereit, markige Ansagen zu transportieren.
Der ORF würdigt Hugo Portischs 90. Geburtstag nicht nur mit einem Programmschwerpunkt, in dessen Mittelpunkt eine dreiteilige Dokumentation über den "Doyen des österreichischen Qualitätsjournalismus" steht. Er veranstaltete wie erwähnt am Dienstagabend auch eine prominent besuchte Feier, bei der Portisch jede Menge Dankesworte entgegennahm. Von Van der Bellen abwärts fand sich eine hochkarätig besetzte Gratulantenschar ein, um den immer noch gewohnt quirligen Jubilar hochleben zu lassen. "Ich persönlich habe Ihnen viel zu danken", sagte der Bundespräsident in Richtung Portischs. "Ihnen als Europäer, als Historiker, als Journalist, und ich finde, als hervorragender Pädagoge." Denn Portisch könnte Menschen etwas beibringen "ohne, dass sie belehrt werden. Das ist eine hohe Kunst."
ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz würdigte Portisch als "einen Großen der ORF-Geschichte". Nicht zuletzt habe er "das Bewusstsein für die Rolle des ORF als elektronisches Gedächtnis dieses Landes geschaffen" und "auch heute noch oft unerreichte Standards für Kommentar, Analyse, Objektivität und Unabhängigkeit gesetzt".
Portisch selbst fand die dreiteilige Doku-Reihe über ihn, die am Dienstagabend präsentiert wurden, "viel zu viel": "Ich will überhaupt nicht gern gefeiert werden, aber ich bedanke mich sehr, dass Sie es tun", sagte er zu den Gästen. Die Überreichung der Geschenke des ORF quittierte er denn auch mit einem "Nicht das auch noch!" Über die zwei Karikaturen von Gerhard Haderer, der ebenfalls dabei war, sowie einen Olivenbaum für den toskanischen Zweitwohnsitz zeigte er sich dennoch hoch erfreut. "Happy Birthday" gab's zum Abschluss auch noch.
Was er sich sonst zum Geburtstag wünscht? "Frieden", sagte Portisch schlicht. "Ich weiß, was Krieg heißt." Die EU als "Friedenspakt" sei daher "ungeheuer bedeutungsvoll". Außerdem "gibt es noch ein paar Flecken in der Welt, die ich gerne sehen möchte", legte er ungebremsten Tatendrang an den Tag.
Unter den Gratulanten bei dem Dinner im ORF - Portisch selbst hatte Mitsprache bei der Menüfolge - fanden sich neben dem Bundespräsidenten auch ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ein, SPÖ-Medienminster Thomas Drozda, Alt-Bundespräsident Heinz Fischer und der frühere SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky. Dazu nahmen zahlreiche Freunde, Weggefährten und weitere Prominenz aus Politik und Medien teil.
Zwei seiner langjährigen Wegbegleiter wurden für "Aufregend war es immer" - auch der Titel Portischs im Vorjahr veröffentlichter und nun aktualisierter Autobiografie - von Karo Wolm und Wolfgang Winkler engagiert: Der Journalist Heinz Nußbaumer und der Historiker Oliver Rathkolb sprachen mit ihm über die wichtigsten Stationen seines Lebens und seiner Karriere. Teil eins (Freitag, 17. Februar, 20.15 Uhr) widmet sich seinen publizistischen Anfängen und seinem familiären Hintergrund. Teil zwei (Samstag, 18.2., 20.15 Uhr) blickt zurück auf Portischs Einsätze als ORF-Chefkommentator in aller Welt. Teil drei (Sonntag, 19.2., 20.15. Uhr) schließlich porträtiert Portisch als "Dokumentarist der Zeitgeschichte".
Darüber hinaus ist Portisch diesen Donnerstag zu Gast bei "Stöckl", ORF III zeigt ab Freitag ausgewählte Folgen der Neuauflage von "Österreich II" und weitere Dokumentationen. Die neue "Menschen & Mächte"-Ausgabe von Gerhard Jelinek über das Geburtstagskind wird am Freitag um 11.50 Uhr in ORF 2 wiederholt. Ö1 widmet sich Portisch in einem "Salzburger Nachtstudio (bereits am Mittwoch), die ORF-TVthek stellt - soweit die Lizenzrechte dafür vorhanden - einen sogenannten "Themencontainer" zur Verfügung.