Nach 100 Tagen Gefängnisaufenthalt zahlreicher Mitarbeiter der regierungskritischen "Cumhuriyet" hat die Zeitung der türkischen Justiz politisch motiviertes Vorgehen vorgeworfen. Die Regierung trete "den Grundsatz des Rechtsstaats ständig mit Füßen" und habe die "Untersuchungshaft in eine Bestrafung verwandelt", schrieb das Blatt in seiner Dienstagsausgabe. Die "Cumhuriyet" kritisierte vor allem, dass die Verhafteten noch immer auf die Anklageschrift warteten. Sie seien "regelrecht vergessen" worden.
Neun Mitarbeiter der "Cumhuriyet", darunter der Chefredakteur Murat Sabuncu, waren Ende Oktober wegen Terrorvorwürfen festgenommen worden. Am 5. November wurde Haftbefehl erlassen. Später wurden auch der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay sowie der freie Mitarbeiter und bekannte Investigativjournalist Ahmet Sik verhaftet. Mit Sik sitzen damit zurzeit zehn "Cumhuriyet"-Mitarbeiter in Untersuchungshaft.
Die Zeitung kritisierte zudem die Haftbedingungen. Die Verhafteten dürften in der Woche nur je eine Stunde ihren Anwalt und einen engen Verwandten sehen. Außerdem sei ihnen untersagt, Briefe zu schreiben und zu empfangen. Seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 hat sich der Druck auf Kritiker der Regierungspartei AKP und des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan erhöht. Zahlreiche Medien wurden seitdem per Notstandsdekret geschlossen und zahlreiche Journalisten verhaftet.