Donnerstag, 9.45 Uhr, im Funkhaus in der Wiener Argentinierstraße: Viele Mitarbeiter von Ö1 und FM4 stehen Spalier und üben so Protest gegen die Programmschema-Änderung bei Ö1 und vor allem gegen den Auszug aus dem Funkhaus.
"Radio muss im Funkhaus bleiben" steht auf Transparenten. Prominente Verstärkung kommt von Autor Robert Menasse oder von Filmemacherin Ruth Beckermann. Das Ö1-Programmschema steht heute im Stiftungsrat auf dem Programm. Bevor ORF-Chef Alexander Wrabetz in die Sitzung eilte, wurde er von den Protestierenden aufgehalten. Was hat Wrabetz gesagt, hat er etwas verprochen? Robert Menasse zur Kleinen Zeitung: "Das Blaue vom Himmel in Vorbereitung auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ."
Der geplante Umzug
Der ORF plant, den Hauptsitz am Küniglberg zum zentralen Standort für fast alle Redaktionen umzubauen. Da aber Radio Wien im 4. Wiener Gemeindebezirk verbleiben und der ORF dort Fläche behalten wird, plädieren Mitarbeiter sowie die von Prominenten unterstützte IG Funkhaus dafür, auch Ö1 und FM4 dort zu belassen. Der ORF würde so Kosten sparen und die "Eigenständigkeit und Qualität von Ö1 und FM4 werden gesichert", wird in dem Schreiben argumentiert.
Die Stiftungsräte wurden ersucht, "eine neue Wirtschaftlichkeitsanalyse einzufordern", um zu klären, "wie viel Geld gespart wird, wenn der ORF die nötige Fläche für Ö1 und FM4 im Funkhaus selbst behält". Mit diesem Appell wandten sich am Donnerstag zahlreiche Mitarbeiter vor der Sitzung auch persönlich an die Räte und konfrontierten zudem ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz mit dem Offenen Brief.
Welche Änderungen geplant sind
Wie berichtet sehen die Redakteurssprecher die geplanten Änderungen im Programmschema kritisch: Sie befürchten ein "geschöntes Sparpaket". Inhaltlich werden unter anderem eine "erhebliche" Reduktion der Sendezeit für ausgespielte Musik und der Verlust innovativer Formate kritisiert. Die IG Autoren sammelt Unterschriften gegen die Ö1-Reform.
Im Musikbereich wird aufgrund u.a. der Einstellung von "Ö1 bis Zwei" (bisher um 13.00 Uhr) und dem sonntäglichen "Aus dem Konzertsaal" monatlich rund 30 Stunden weniger Musik erwartet. Dass neue tägliche "Musikmagazin" sei zwar "grundsätzlich zu begrüßen", aber "kein Ersatz" und verursache zudem Mehraufwand für die Redaktion. Zum neuen geplanten "Kunstsonntag" wiederum meinen die Redakteurssprecher, dass ein "Forum des Experimentierens grundsätzlich zu begrüßen" sei. Allerdings müsse unbedingt darauf geachtet werden, dass die "Eigenständigkeit von bestehenden Sendungen wie 'Tonspuren', 'Contra', 'Kunstradio'" etc. bestehen bleibe.
Schließlich wird die Zusammenlegung des "Hörspiel-Studios" mit dem "Kunstradio" kritisiert. 60 Minuten pro Woche für die Präsentation österreichischer Autoren gingen verloren, rechnen die Redakteure vor. 2016 seien 30 Produktionen heimischer Literaten gespielt worden - "diese Zahl soll sich nun um mindestens ein Drittel reduzieren".
Die IG Autoren macht bereits gegen die "Zerstörung von Ö1", wie es in einer Resolution heißt, mobil. Sie sieht ein "als Reform getarntes Sparprogramm" und fordert die ORF-Führung auf, "ihre Versprechen einzuhalten und den Kulturauftrag von Ö1 zu stärken statt den international renommierten Sender zum billigen Beliebigkeitsprogramm verkommen zu lassen". Unterzeichnet wurde der Aufruf laut IG bisher von rund 700 Personen, darunter jede Menge bekannter Autoren.