ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat am Mittwoch indirekt für eine Gebührenerhöhung geworben. "Das Publikum zahlt heute real weniger für deutlich mehr Programm", sagte Wrabetz im ORF-Publikumsrat. Thema in der Sitzung war auch ein Gebührenzahler-Rückgang nach einem Höchstgerichtsurteil sowie das wirtschaftliche Ergebnis des ORF im ersten Halbjahr 2016.

Wrabetz verglich die aktuelle Finanzlage mit 2006. Der ORF habe inflationsbereinigt weniger Einkünfte, bei den Werbeumsätze habe es einen massiven Einbruch um 27 Prozent gegeben. Zudem seien 2014 mit dem Auslaufen der Gebührenrefundierung 60 Millionen Euro weggefallen. Seit 1994 seien die Programmentgelte stets moderat und unter der Inflationsrate angepasst worden, so Wrabetz, der auch auf ein umfangreiches Sparprogramm verwies. Neben der Reduktion der Sachkosten seien 650 Vollzeitstellen abgebaut worden.

Letzte Gebührenerhöhung 2012

Laut ORF-Gesetz muss der öffentlich-rechtliche Sender alle fünf Jahre prüfen, ob es zu einer Anpassung der ORF-Gebühren kommt. Die vorerst letzte Anhebung fand 2012 statt. Die Inflation ist seit damals um 10,5 Prozent gestiegen. Publikumsrat und Kommunikationswissenschafter Matthias Karmasin stellte im Zusammenhang mit den Rundfunkgebühren die Länderabgabe und die Umsatzsteuer infrage. Europaweit sei die Diskrepanz zwischen eingehobenen Gebühren und dem Anteil, den der ORF erhält, am höchsten.

Kritik von Werner Amon

"Weil Pluralität ein wichtiges Element der Demokratie ist, muss auch die Medienförderung neu diskutiert werden. Qualitative, digitale und regionale Medien werden derzeit zu wenig gefördert", so reagierte ÖVP-Generalsekretär und -Mediensprecher Werner Amon auf Wrabetz Argumentation. Und um überhaupt über eine ORF-Gebührenerhöhung zu diskutieren, seien echte Reformen im ORF Voraussetzung. "Eine Gebührenerhöhung darf nicht dafür verwendet werden, das Finanzloch des ORF zu stopfen oder fehlende Werbeeinnahmen zu kompensieren. Eine Gebührenerhöhung darf nur in Bezug auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF argumentiert werden."

Zurück auf den Küniglberg: Publikumsrat und Wirtschaftskammer-Funktionär Rupert Haberson berichtete aus dem Finanzausschuss, dass das ORF-Konzernergebnis im ersten Halbjahr 2016 mit fünf Millionen Euro positiv gewesen sei. Die Werbeerlöse seien 2,8 Prozent über dem Voranschlag gelegen, zudem sei im Personalbereich weniger verbraucht worden als geplant. Ebenso schlug sich der Funkhaus-Verkauf um zehn Millionen Euro besser zu Buche als gedacht, dieser Posten werde durch bilanzielle Umstellungen vorgebucht. Die Baukosten am Wiener Küniglberg seien nach wie vor im Plan.

Haushaltsabgabe wurde diskutiert

Haberson berichtete aber auch von einem Rückgang der Gebührenzahler, vor allem in Wien. Hintergrund sei eine höchstgerichtliche Entscheidung, wonach Nutzer, die ORF-Programme lediglich über Internet abrufen, keine Gebühren zahlen müssen. Daher sei im Finanzausschuss des Publikumsrates auch über eine Haushaltsabgabe diskutiert worden, eine Empfehlung sei aber nicht beschlossen worden.

Zu den Marktanteilen im Fernsehen im heurigen Jahr verwies Wrabetz auf ein Plus von 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch das neue Frühstücksfernsehen "Guten Morgen Österreich" trage zu dem Plus bei. Wrabetz räumte aber ein, dass der September schwächer ausgefallen sei. Im September 2015 seien die ORF-Programme wegen eines ersten Höhepunkts der Flüchtlingsbewegung und wegen der Fußball-EM-Qualifikation verstärkt genutzt worden. Bei den Radio-Marktanteilen seien die ORF-Programme - nach den korrigierten Radiotest-Daten - stabil. Im November werde das Marktforschungsinstitut GfK dann die Korrekturen bis ins Jahr 2011 vorlegen, sagte Wrabetz.

Schwerpunkt Wirtschaftsberichterstattung 

Zu neuen Fernsehmagazinen wie einem für Medien oder Wissenschaft sagte der ORF-Generaldirektor, dass dies von der Neuaufstellung von ORFeins abhänge, dort gebe es Entwicklungsmöglichkeiten.

Ein Schwerpunktthema der Publikumsratssitzung war die Wirtschaftsberichterstattung im ORF. TV-Ressortleiter Christoph Varga kritisierte dabei, dass sich viele Manager dem öffentlichen Diskurs nicht stellten und sich "wegducken". Ähnliches gelte auch für Wirtschaftsexperten und Uni-Professoren.

Kritisch hinterfragt wurde im Publikumsrat auch, warum der ORF bei der Fußballeuropameisterschaft bis zu vier Experten ins Studio eingeladen hatte. Publikumsrat Franz Stocher hält das für teuer und für nicht sinnvoll. Wrabetz verteidigte die Sportberichterstattung, die in Zeitungen kolportierten Experten-Gagen seien "absurd und nicht wahr" und verglichen mit anderen Ausgaben "Peanuts".

Roland Siegrist, der für die evangelische Kirche im Publikumsrat sitzt, verlässt übrigens das Gremium. Er stellte in der Sitzung am Mittwoch seinen Nachfolger, Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk, vor.