Die Frage, ob Netflix, Amazon und Co., lineares Fernsehen verdrängen, hat am zweiten Tag der 23. Medientage Fernsehmacher aus Österreich, Deutschland und der Schweiz beschäftigt. Angesichts des Wachstums auch im klassischen TV sieht man die neue Konkurrenz relativ gelassen, die Möglichkeit, Serien und Filme zu streamen, führte aber zu einer hitzigen Debatte über öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Katja Hofem von ProSiebenSat.1 sagte, der Druck durch Streaminganbieter sei nicht so groß, sonst würde man nicht gerade einen neuen Sender starten. Netflix und Amazon Prime seien aber in der Nische bei Special-Interest-Serien sehr erfolgreich, also bei Serien, die sich im klassischen TV schwer tun. Ein Massenprogramm sei Video-on-Demand jedenfalls nicht.
Holger Enßlin von Sky Österreich erklärte, dass durch die digitale Revolution im TV zusätzliches Wachstum entstehe. Für die Zuschauer werde es einfach, das zu sehen, was sie wollen und dabei nicht an ein fixes Programmschema gebunden zu sein.
Hofem beklagte allerdings die fehlende Regulierung der Videoplattformen. Amazon Prime, Netflix oder YouTube würden Dinge rund um die Uhr ausstrahlen, die man im Fernsehen aus Jugendschutzgründen nicht vor 21 Uhr zeigen dürfe. "Wir kämpfen mit ungleichen Waffen", so Hofem. Enßlin entgegnete, "wenn wir streamen, gelten die selben Regeln". On demand könne man eine Serie, die erst ab 16 Jahren freigegeben ist, auch morgens schon zum Abruf anbieten.
Wolfgang Fellner, Chef der Mediengruppe Österreich, meinte, sein neuer Nachrichtensender oe24.TV sei mit zehn Millionen Euro Budget ein "Mäuslein unter Elefanten". Er beobachte, dass auch in anderen Ländern Zeitungen über News-TV ins Fernsehgeschäft einstiegen. Die Konkurrenz von Netflix sieht Fellner weniger gelassen. "Die Situation, wo Jugendliche ,Germanys Next Topmodel' oder ,Big Band Theory' am Fernseher schauen, ist - zumindest in meiner Familie - vorbei". Stattdessen würde am Tablet oder Smartphone gestreamt.
Das veränderte Nutzungsverhalten beschäftigt auch den Bayrischen Rundfunk. Reinhard Scolik sagte, mit eigenen Sendeflächen ein jüngeres Publikum ansprechen zu wollen. Noch-ORF-Finanzdirektor Richard Grasl glaubt, dass die Werbeindustrie und die Internetprovider Interesse an einem Streaming-Wachstum hätten. Erstere um ihre Zielgruppe punktgenauer zu erreichen, Zweitere um die Bandbreiten zu füllen.
Mit Blick auf die Onlinevideotheken kritisierte Fellner die Gebührenfinanzierung des ORF und dessen Ausgaben für Senderechte. In Zeiten, in denen jeder selber Filme und Serien aus den USA downloaden könne, brauche der ORF solche Inhalte nicht einkaufen. Ganz generell schimpfte er über die Marktverzerrung durch den ORF und die Über-Regulierung der Medienbehörden.
SRG-Chef Roger de Weck und Grasl verteidigten das duale Rundfunksystem und die Rolle von öffentlich-rechtlichem Rundfunk darin. Dies sei in Europa unumstritten. De Weck meinte, man könne über das vorhandene Modell schimpfen, "aber es gibt kein besseres". Ohne Unterhaltungssendungen würde man die Breite nicht erreichen und dies wäre dann erst recht eine Gebührenverschwendung.