Ein österreichisches Alpendorf: Der Italiener Salvatore (Fabrizio Bucci) quartiert sich im Gasthof ein und schnüffelt herum. Salvatore sucht den Mann, der als Soldat kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges seine Familie bei einem Massaker getötet hat. „Bergfried“ ist ein auf einer wahren Begebenheit beruhendes Drama. Gedreht für rund 2,3 Millionen Euro in der Steiermark mit Peter Simonischek in der Hauptrolle. Jo Baiers Film läuft am Mittwoch um 20.15 Uhr in ORF 2.
Über das heurige Jahr können Sie sich wohl nicht beklagen?
PETER SIMONISCHEK: Ich würde sagen: Die Sterne stehen günstig. Sterndeutung und Orakel waren früher ja mächtige Sachen, doch durch die Aufklärung wurde die Bedeutung eingeschränkt. So gut finde ich das gar nicht.
So oder so haben Sie bisher eine Mordskarriere hinter sich!
SIMONISCHEK: Dabei war ich nie besonders zielstrebig. Der Erfolg kam nicht, weil ich ihn angestrebt habe, sondern weil ich bereit war. Und grundsätzlich war ich immer Bühnenschauspieler. Film lief nur nebenbei. Drehen konnte ich nur, wenn ich zufällig gerade Zeit hatte. Vier oder fünf Drehtage, das war geradezu ideal. „Toni Erdmann“ war nun natürlich ein Highlight.
Welche Bedeutung hat denn nun der Charakter in „Bergfried“ im Rahmen Ihrer Gesamttätigkeit?
SIMONISCHEK: An dieser Rolle war ich hoch interessiert, wegen der Ambivalenz zwischen dem lieben Opa von heute, der schnitzt und seinem Enkel Geschichten über Rotkehlchen erzählt, und dem abgrundtief Bösen – seinen fürchterlichen Kriegsverbrechen in Italien.
Ihre Recherchen?
SIMONISCHEK: Schon als wir bereits drehten, habe ich Briefe von SS-Leuten gelesen. In meiner SS-Uniform in die Kantine zu gehen und etwas zu essen zu bestellen, war übrigens immer ein eigenartiges Gefühl.
Was haben Sie den Briefen entnommen?
SIMONISCHEK: Dass es anfangs schon seltsam war, zu Erschießungen zu gehen. Aber es wurde nach und nach zur Gewohnheit. Nur wenn es abends Blutwurst zu essen gab, tat man sich schwer. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Milgram-Experiment hinweisen. Es hat die Bereitschaft durchschnittlicher Personen bewiesen, autoritären Anweisungen auch dann Folge zu leisten, wenn sie im Widerspruch zum Gewissen standen.
Wie haben Sie Cannes erlebt?
SIMONISCHEK: Toll und eindrucksvoll. Plötzlich befindet man sich mitten in Situationen, die man sonst nur im Fernsehen sieht. Cannes ist so was wie eine Kino-WM. Die müssen nicht tausend Statisten bestellen, denn die stehen schon da. Den Jubel nach unserer Vorführung, so was muss man einmal erlebt haben. Ich wurde richtig mitgerissen. Ich habe „Toni Erdmann“ dort zum zweiten Mal gesehen, trotzdem habe ich losgeheult, weil ich auf einmal nicht mehr merkte, dass der auf der Leinwand ich war!
Luigi Heinrich