"Ich wäre nicht unglücklich darüber, wäre ich der letzte Mann, der eine Transgender-Frau im Fernsehen spielt", sagte Jeffrey Tambor, als er sich am Sonntag zum zweiten Mal infolge den Emmy für seine Rolle in "Transparent" abholte. Im US-Fernsehen ist die Diskussion um Inklusion von Menschen jeden Geschlechts, jeder Hautfarbe, Herkunft und sexuellen Orientierung jener in Hollywood um vieles voraus.
Hat die Oscar-Academy zuletzt zwei Jahre infolge ausschließlich weiße Schauspieler nominiert, war das Nominierungsfeld der diesjährigen Emmy-Fernsehpreise so vielfältig wie nie. In dieser Branche ist der der Außenseiter, der nicht auf Vielfalt setzt: CBS etwa wurde von allen Seiten für sein Herbstprogramm gescholten - stehen doch bei allen sechs neuen Serien des Senders weiße Männer im Zentrum. Konkurrenten wie FOX, ABC oder HBO, vor allem aber Streamingportale wie Netflix, Amazon Prime und Hulu setzen seit wenigen Jahren verstärkt auf Diversität vor und hinter der Kamera und haben damit großen Erfolg - wenn es auch noch viel Luft nach oben gibt.
Im Folgenden eine Auswahl über vielversprechende neue Serien (und Staffeln), die in diesem Herbst mehr als nur die weiße, männliche Lebensrealität abbilden:
"Transparent" (Amazon Prime), Staffel 3: "Im Dienst einer Bürgerrechtsbewegung" sieht Serienschöpferin Jill Soloway ihre Kreation "Transparent", hat die mit Preisen und Kritikerlob überhäufte Dramedy doch seit ihrem Start 2014 Transgender in den Mainstream gehievt - und die größte Anzahl an Trans-Cast- und Crew-Mitgliedern um sich geschart. Mit u.a. Hari Nef und Alexandra Billings haben zwei Ikonen der Community wiederkehrende Rollen; mit Our Lady J stieß ab der zweiten Staffel die erste Trans-Frau zum Autorenteam. In der dritten Staffel der Amazon-Eigenproduktion, die ab Freitag (23. September) abrufbar ist, will die transsexuelle Maura Pfefferman (Jeffrey Tambor) mittels einer operativen Geschlechtsumwandlung auch äußerlich zur Frau werden. Als Gaststars sind u.a. Anjelica Huston als Mauras Partnerin Vicki sowie TV-Persönlichkeit Caitlyn Jenner angekündigt. Jenner hatte selbst - wie Maura in der Serie - ihrer Familie im hohen Alter verkündet, künftig als Frau leben zu wollen.
"Marvel's Luke Cage" (Netflix): Die dritte Marvel-Serie auf Netflix nach "Daredevil" und "Jessica Jones" ist die kulturell wohl bedeutendste - ist "Luke Cage" doch die erste Superhelden-Serie aus dem Hause Marvel (oder auch DC Comics) mit einem afroamerikanischen Hauptdarsteller. Erneut übernimmt Mike Colter die Rolle des superstarken und unverwundbaren Helden wider Willen, der als Nebenfigur bereits in "Jessica Jones" vorgestellt wurde. Dass der in Harlem, New York City, wohnhafte Cage keinen Umhang, sondern einen Kapuzenpullover trägt, kommt nicht von ungefähr, wie Colter kürzlich verriet. Der tragische Tod des schwarzen High-School-Schülers Trayvon Martin, der 2012 wegen seines "Hoodies" auf die Polizei "bedrohlich" wirkte, hatte ihn und Showrunner Cheo Hodari Coker dazu bewegt. Ab 30. September sind die 13 Folgen auf Netflix abrufbar.
"Atlanta" und "Pitch" (FOX): Mit einem ausschließlich schwarzen Cast und Autorenteam ist "Atlanta", eine der meistgepriesenen neuen Herbstserien, eine Seltenheit am Markt. Die Idee zur Dramedy über zwei Cousins, die in der Rap-Szene Atlantas auf ein besseres Leben für sich und ihre Familien hinarbeiten, hatte "Community"-Star Donald Glover (32), der auch selbst eine der Hauptrollen übernimmt. Ebenfalls aus dem Hause FOX kommt "Pitch", eine (leider fiktive) Story über die erste professionelle Baseball-Spielerin in der Major League der USA. Die Rolle der Afroamerikanerin Ginny Baker übernimmt Kylie Bunbury.
"Conviction" und "Notorious" (ABC): Mit der langlebigen Krankenhausserie "Grey's Anatomy" hat Shonda Rhimes vor elf Jahren die Ära starker Frauen in eindringlichen Dramen eingeläutet; mit u.a. "Scandal", "How To Get Away With Murder" hat sie sich ein Imperium aufgebaut. Ihr Heimatsender ABC setzt nun mit zwei neuen Krimiserien weiter auf das Erfolgsrezept: In "Conviction" des Autorinnen-Duos Liz Friedlander und Liz Friedman spielt "Agent Carter"-Star Hayley Atwell die ehemalige First Daughter und nunmehrige Anwältin Hayes Morrison, die unschuldig Verurteilte aus dem Gefängnis holen will; in "Notorious" verfängt sich Piper Perabo als erfolgreiche Nachrichtenproduzentin in ein Netz aus Intrigen und Machtspielchen. Ob sich beide Neustarts über die erste Staffel hinaus halten, ist fraglich: Das Branchenblatt "Variety" beurteilte sie als "austauschbare" Stoffe, die nicht an Rhimes-Qualität herankommen.
"Better Things" (FX), "One Mississippi" (Amazon Prime), "Insecure" (HBO) und "The Mindy Project" (Hulu): Schritt für Schritt haben Komikerinnen wie Tina Fey und Amy Poehler die Männerdomäne Comedy mit eigenem Material aufgebrochen; diesen Herbst folgen ihnen nicht minder lustige Talente nach. Pamela Adlon, einem breiten Fernsehpublikum aus "Californication" bekannt, hat gemeinsam mit Komikerlegende Louis C.K. an der kompromisslosen Comedy-Serie "Better Things" gebastelt: Darin verkörpert die US-Amerikanerin eine geschiedene Schauspielerin, die ihre drei Töchter alleine großzieht. Die hierzulande (noch) unbekannte Stand-Up-Comedienne Tig Notaro tut sich mit "One Mississippi" ebenfalls als Autorin und Hauptdarstellerin hervor: In der schwarzhumorigen, semiautobiografischen Serie spielt sie eine lesbische Frau, die nach dem Tod ihrer Mutter in ihre engstirnige Heimatstadt zurückkehrt. Oscarpreisträgerin Diablo Cody ("Juno") fungiert als Co-Autorin, Nicole Holofcener ("Genug gesagt") führte bei der Pilotfolge Regie - und auch hier mischt Louis C.K. (als Produzent) mit.
Persönliche Erfahrungen verarbeitete die multitalentierte Issa Rae bereits in ihrer erfolgreichen Webserie "Awkward Black Girl", aus der nun die HBO-Produktion "Insecure" entstanden ist. Die acht Episoden schildern die "schrägen Erlebnisse und Turbulenzen einer modernen afroamerikanischen Frau", wobei Rae als Issa Dee selbst die Hauptrolle übernimmt. In die bereits fünfte Staffel geht "The Mindy Project" von und mit Mindy Kaling als alleinerziehende Reproduktionsmedizinerin, die das herkömmliche "Happy End" auf den Kopf stellt. Die Comedy-Serie hat ihre Heimat mittlerweile beim US-Streaming-Portal Hulu gefunden, das laut "Wired" aktuell sieben weibliche Showrunner beschäftigt.
"Jane the Virgin" (CW), Staffel 3: Während viele es als ultimatives Ziel einer diversifizierten TV-Landschaft ansehen, Serienrollen "farbenblind" zu besetzen, wählt "Jane the Virgin" einen anderen Weg. Aktuell die einzige Produktion eines großen US-Senders mit vorrangig lateinamerikanischer Besetzung, thematisiert die in Miami angesiedelte Dramedy lateinamerikanische Kultur, komplexe weibliche Lebensrealitäten sowie Themen der Immigration aus der Perspektive der jungen Jane Villanueva, gespielt von Gina Rodriguez (die demnächst in "Deepwater Horizon" ihr Kinodebüt gibt), deren Mutter und Großmutter. Dass die Serie dafür mit Augenzwinkern Anleihen am Format der Telenovela nimmt, verrät schon der irrwitzige Plot: Prämisse der Serie ist die ungewollte Schwangerschaft der 23-jährigen Jungfrau (!) Jane durch eine irrtümliche künstliche Befruchtung.
Von Angelika Prawda/APA