Andreas Nadler, langjähriger Leiter der ORF-Finanzwirtschaft, wurde am Donnerstag zu Beginn der ORF-Stiftungsratssitzung, bei der die Direktoren und Landesdirektoren bestellt werden, als Favorit für den Posten des Kaufmännischen Direktors gehandelt. Zuvor waren Gespräche zwischen SPÖ und ÖVP über ein mögliches Personalpaket offenbar gescheitert.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hielt sich zu Beginn der Sitzung bedeckt. Auch der Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" im obersten ORF-Gremium, Erich Fenninger, meinte lediglich: "Wir brauchen eine Fachperson und keinen politischen Deal." Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sollte es für die Finanzen eine Lösung mit einem "qualitätsvollen Mitarbeiter" geben.

Andreas Nadler auf einem Archivbild
Andreas Nadler auf einem Archivbild © ORF

Die ÖVP hatte für eine Zustimmung zu Wrabetz' Direktorium den Posten des Kaufmännischen Direktors beansprucht sowie weitere Kompetenzen für Personal und Recht. Auch die Position des Radiodirektors wurde zur Diskussion gestellt. Als ÖVP-Wunschkandidat für die Funktion des Finanzdirektors wurde Roland Weissmann, er war Grasls rechte Hand und verwaltete zuletzt als Leiter der Programmwirtschaft bereits die Millionen-Budgets im ORF-Fernsehen, gehandelt.

Andreas Nadler wurde 2003 unter Generaldirektorin Monika Lindner zum Leiter der Abteilung Finanzwirtschaft in der Kaufmännischen Direktion bestellt. Davor leitete er das operative Geschäft der ORF-Vermarktungstochter Enterprise. Er arbeitete sowohl für Generaldirektor Alexander Wrabetz als auch für den scheidenden Finanzchef Richard Grasl und gilt als unbestrittener Experte. Allerdings ist Nadler kein Wunschkandidat der ÖVP. Daher ist man im Stiftungsrat von harmonischen Abstimmungen derzeit weit entfernt. Alexander Wrabetz benötigt heute die Zustimmung zu zwei Personalpaketen: zu jenem mit den vier Fachdirektoren (Finanz, Programm, Radio, Technik) und dem mit den neun Landesdirektoren.

Die ÖVP forderte nicht nur den Posten des Kaufmännischen Direktors, sondern beanspruchte dem Vernehmen nach auch einen eigenen ORF-Generalsekretär beziehungsweise die Kompetenzen für Personal und Recht. Im Gegenzug standen ein konstruktiverer Kurs in den ORF-Gremien und die Zustimmung zur Erhöhung der Rundfunkgebühren im Raum. Die SPÖ lehnte die Forderungen ab.

Für die Radiodirektion wurde Donnerstagvormittag weiterhin FM4-Chefin Monika Eigensperger als Favoritin genannt. Als Fixstarter gelten weiters Kathrin Zechner als Programmdirektorin und Michael Götzhaber als Technischer Direktor.

Wrabetz braucht wieder 18 Stimmen

Wrabetz braucht für die Bestellung seines Teams im 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat zumindest wieder jene 18 Stiftungsräte, die ihn bei der Wahl des Generaldirektors am 9. August gewählt hatten. Der von der SPÖ unterstützte ORF-General erhielt damals die Stimmen der 13 Vertreter des SPÖ-"Freundeskreises", der zwei unabhängigen links stehenden Betriebsräte sowie die des Kärntner Stiftungsrats Siggi Neuschitzer, des Grünen Wilfried Embacher sowie jene von NEOS-Stiftungsrat Hans Peter Haselsteiner. Für den von der ÖVP favorisierten Finanzdirektor Richard Grasl, der mit Jahresende aus dem ORF ausscheidet, votierten die 13 Stiftungsräte des ÖVP-"Freundeskreises", FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger und Team Stronach-Vertreter Günter Leitold. Die unabhängige Betriebsrätin Gudrun Stindl sowie der unabhängige Regierungs-Stiftungsrat Franz Küberl enthielten sich der Stimme.

Nach dem Votum über die Fachbereichsdirektoren wird am Donnerstag auch noch über die neun Landesdirektoren abgestimmt. Veränderungen dürfte es dabei nur in Salzburg und im Burgenland geben. In Salzburg muss der unter der früheren SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller bestellte Roland Brunhofer auf Wunsch von ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer seinen Sessel räumen. Im Burgenland soll Landesdirektor Karlheinz Papst auf Drängen der dortigen SPÖ abgelöst werden. Als Wunschnachfolger gilt Werner Herics, Leiter Organisation im ORF-Standortprojekt.

Mit Gebührenerhöhung wird gerechnet

Im Zuge der Wahl des neuen Direktoriums will ORF-Chef Wrabetz auch gleich den Boden für eine Erhöhung der Programmentgelte aufbereiten, war zu hören. Ein entsprechender Antrag auf Festlegung der Gebühren muss laut Gesetz bis spätestens Mitte November erfolgen. In der mittelfristigen Finanzvorschau des ORF wurde eine rund 10-prozentige Erhöhung beziehungsweise Inflationsanpassung ab 2017 angesetzt. Kommt diese nicht, droht dem Sender im kommenden Jahr eine Finanzlücke von an die 100 Millionen Euro, wie Finanzdirektor Grasl in seinem Bewerbungskonzept zur Generaldirektorswahl angedeutet hatte. Bei dieser Höhe könnten im ORF erstmals auch Flächenkündigungen zum Thema werden.

Die Programmentgelte machten im Vorjahr 653 Millionen aus. Davon bekam die GIS 15,2 Millionen für die Einhebung und das Finanzministerium 59,4 Millionen an Umsatzsteuer. 578,4 Millionen verblieben netto beim ORF. Weitere 55,7 Millionen gingen unter dem Titel Radio-/Fernsehgebühr an das Finanzministerium, 18,4 Millionen landeten als Kunstförderbeitrag im Bundeskanzleramt, 135,3 Millionen  flossen als Landesabgabe an die Bundesländer. Nur Oberösterreich und Vorarlberg heben keine Landesabgaben ein. Das Gesamtvolumen der Rundfunkgebühren betrug damit 862,3 Millionen

Bei einer etwaigen Abstimmung über eine Gebührenerhöhung sind im 35-köpfigen ORF-Stiftungsrat die Belegschaftsvertreter nicht stimmberechtigt. Wrabetz braucht deshalb in diesem Fall auch die Unterstützung von Gremienmitgliedern, die ihm bei der Wahl zum Generaldirektor die Stimme versagt hatten.