Heute wählt der 35-köpfige Stiftungsrat den ORF-Chef ab 2017 - die Abstimmung soll gegen 15.15 Uhr begonnen haben. Zur Auswahl stehen der von der SPÖ unterstützte ORF-Chef Alexander Wrabetz sowie der von der ÖVP favorisierte Finanzdirektor Richard Grasl. Der Kärntner Stiftungsrat Siggi Neuschitzer hat sich bereits festgelegt. Er wird den amtierenden ORF-Chef Wrabetz wählen, wie er der Austria Presseagentur sagte.
Der ursprünglich von BZÖ/FPK bestellte und später von der SPÖ-geführten Landesregierung unter Landeshauptmann Peter Kaiser verlängerte Kärntner Stiftungsrat gehört keinem "Freundeskreis" an. Neuschitzers Stimme zählt bei der Bestellung des ORF-Generals mit zu den entscheidenden. Nach umfangreicher Prüfung der Konzepte und Gesprächen mit verschiedenen Medienexperten habe er inzwischen seine Entscheidung getroffen, erklärte Neuschitzer. "Ich wähle Wrabetz." Hauptgründe seien für ihn zum einen Wrabetz' Informationskonzept gewesen, das ein hohes Ausmaß an Pluralismus vorsehe, zum anderen die Technik-Pläne der beiden Bewerber.
Der Grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher wird ebenso für den amtierenden ORF-Chef Wrabetz stimmen. "Ich wähle Wrabetz", sagte Embacher vor Beginn der Sitzung des Aufsichtsgremiums. Als Grund nannte Embacher Skepsis über Richard Grasls Konzept für die ORF-Führung. Er befürchtet zu viel Machtfülle beim Finanzdirektor.
Zugleich bestätigte Embacher, dass es in der Grünen Partei auch Stimmen gegeben habe, die für Grasl plädierten. Der Grüne Stiftungsrat erwartet bei der Wahl "tendenziell" eine Mehrheit für Wrabetz, auch wenn es "am Ende wieder spannend geworden" sei.
Der von den Freiheitlichen in den ORF-Stiftungsrat entsandte Norbert Steger wird für Richard Grasl als neuen Generaldirektor stimmen. Das erklärte Steger auf eine entsprechend Frage gegenüber Journalisten bei seinem Eintreffen in der ORF-Zentrale. Heute hätten auch kleine Parteien ihre Möglichkeit zu zeigen, ob sie für Reformen sind, so Steger. Auf die Journalistenfrage, ob er in der Sitzung Grasl wählen werde, meinte der Stiftungsrat: "Richtig." Grundsätzlich rechnet Steger kommendes Jahr mit einem Regierungswechsel und freiheitlicher Regierungsbeteiligung. So habe ihn die FPÖ bereits damit beauftragt, ein neues ORF-Gesetz vorzubereiten.
Inoffiziell hält Alexander Wrabetz somit derzeit bei 15 Stimmen, Grasl bei 14. Der Ausgang hängt am Stimmverhalten der sechs restlichen Stiftungsräte.
Auch der unabhängige Stiftungsrat Franz Küberl hat bereits eine Wahl getroffen. Küberl kann wegen des Begräbnisses eines langjährigen Freundes und Bergkameraden nicht an der heutigen Sitzung des ORF-Gremiums teilnehmen. Ein Votum Küberls gibt es trotzdem: die unabhängige bürgerliche Betriebsrätin Gudrun Stindl wird Küberl vertreten und dessen Stimmabgabe übermitteln. Damit dabei alles rechtens läuft, hat Küberl zur Bestätigung bereits einen Stimmzettel ausgefüllt, der versiegelt im Gremienbüro hinterlegt wurde und der nach der Abstimmung geöffnet und mit dem von Stindl eingebrachten Stimmzettel verglichen wird.
Stiftungsrat wählt neuen ORF-Generaldirektor
Generaldirektor Alexander Wrabetz hat sich vor dem Hearing im Stiftungsrat zuversichtlich zu seiner Wiederwahl gezeigt. Jetzt sei aber zunächst das Gremium am Wort, wollte er keine weiteren Kommentare abgeben. Der amtierende Senderchef traf kurz nach 11.30 Uhr vor dem Sitzungszimmer ein und stellte sich den wartenden Journalisten und Kameras. "Jetzt ist der Stiftungsrat am Wort." Und: "In vier Stunden wissen wir's." Außerdem hielt Wrabetez auf die Frage, ob er von seiner Wiederbestellung ausgeht fest: "Zuversichtlich bin ich." Das Hearing mit Finanzdirektor Richard Grasl dauerte zuvor knapp eineinhalb Stunden. Danach zeigte er sich optimistisch: "Ich bin guter Dinge", erklärte er gegenüber Journalisten. Es sei
"super" gelaufen.
Wrabetz habe "gute Karten"
Der ORF-Stiftungsratvorsitzende Dietmar Hoscher rechnet mit einer klaren Entscheidung bei der Bestellung des neuen Generaldirektors. "Ich glaube nicht, dass ich entscheiden muss", erklärte Hoscher gegenüber Journalisten. Der Leiter des SPÖ-"Freundeskreises" Erich Fenninger geht von einer Wiederwahl des amtierenden ORF-Chefs Alexander Wrabetz aus. Er glaube, dass der amtierende Generaldirektor eine "hohe Chance" hat, bestätigt zu werden. Hierfür spreche vor allem, dass der ORF in den vergangenen Jahren unabhängig geworden sei. Dadurch habe Wrabetz "gute Karten", so Fenninger.
Nichts vor dem Hearing sagen wollte der Leiter des ÖVP-"Freundeskreises", Thomas Zach, ebenso der Zentralbetriebsrat Gerhard Moser und die Betriebsrätin Gudrun Stindl. Hans Peter Haselsteiner, von den NEOS in das Gremium entsandt, wollte ebenfalls keinen Kommentar abgeben. Er meinte jedoch, dass seine Wahl bekannt sein müsste.
18 Stimmen für die Mehrheit
Die 35 Mitglieder des obersten ORF-Gremiums wählen den Generaldirektor, der sein Amt am 1. Jänner 2017 antritt, in nicht geheimer Abstimmung. 18 Stimmen sind für eine Mehrheit notwendig. Die Mitglieder des Stiftungsrats werden von Regierung, Parteien, Bundesländern, ORF-Publikumsrat und Betriebsrat beschickt und sind - abgesehen von wenigen Ausnahmen - in parteipolitischen "Freundeskreisen" organisiert. Wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse dürften die Vertreter der Opposition sowie die Unabhängigen den Ausschlag geben. Zuletzt wurden unter Stiftungsräten die Chancen des amtierenden ORF-Chefs etwas höher eingeschätzt. Wrabetz und Grasl warben bis zum Schluss für ihre Konzepte.