"Gerade angesichts der Entscheidung über die Präsidentin des Rechnungshofs halte ich es für sinnvoll, die Transparenz bei der Bestellung des ORF-Generaldirektors zu erhöhen", sagte Wrabetz im Interview mit der Tageszeitung "Die Presse".

Ähnlich argumentierte Grasl im "Kurier": "Wenn es den Wunsch von Stiftungsräten nach Informationen oder einem Hearing gibt, dann sollten Bewerber dem auf alle Fälle nachkommen. Da der ORF der Allgemeinheit gehört, sollte so ein Hearing auch entsprechend im ORF übertragen oder gestreamt werden."

ORF-Finanzdirektor Richard Grasl
ORF-Finanzdirektor Richard Grasl © APA/GEORG HOCHMUTH

Drittes Mal

Der von der SPÖ favorisierte Wrabetz will ein drittes Mal ORF-Chef werden. Daneben verdichteten sich zuletzt Hinweise, dass sich auch der von der ÖVP unterstützte Grasl um den Posten bewerben könnte. Die Bestellung erfolgt durch die 35 Mitglieder der ORF-Stiftungsrats. Aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse im obersten ORF-Gremium ist der Ausgang einer möglichen Wahlkonstellation Wrabetz gegen Grasl derzeit noch völlig offen.

Neos-Vorschlag

Den Vorschlag der NEOS, künftig ein Hearing vor der Bestellung des ORF-Generals abzuhalten, sieht Wrabetz jedenfalls positiv. "Wie das im Rahmen des ORF-Gesetzes ermöglicht werden kann, muss der Stiftungsrat festlegen. Aber ich wäre dazu bereit, weil ich glaube, dass das für die Öffentlichkeit interessant sein könnte. Wir sind mit Verlaub mindestens so wichtig wie der Rechnungshof. Etwa die Frage, ob man im ORF auch vielfältigen, kritischen Journalismus oder wieder die Konzepte meiner Amtsvorgängerin vertritt (Anm.: Monika Lindner). Deswegen kann auch die öffentliche Diskussion darüber nur sinnvoll sein", so Wrabetz in der "Presse".

Der amtierende ORF-Chef geht auch davon aus, "dass es einen anderen Kandidaten geben wird - und dass der das relativ bald sagen wird. Und dann wird man eine inhaltliche Diskussion über die verschiedenen Konzepte führen". Auf die Frage, ob er mit Grasl rechne und was das für die weitere Zusammenarbeit bedeuten würde, meinte Wrabetz: "Es ist nicht die Frage, ob ein Kollege besonders ehrgeizig ist. Sondern, ob er andere Auffassungen hat als ich. Und ich gehe davon aus, dass er, wenn er sich bewirbt, mit unterschiedlichen Positionen antreten wird. Wenn man in wichtigen Fragen unterschiedliche Positionen hat, wird man wohl danach nicht mehr zusammen arbeiten können."

Die wichtigsten Vorhaben der nächsten Geschäftsführungsperiode sind für Wrabetz das Bauprojekt rund um den ORF-Standort Küniglberg, die damit einher gehende neue Struktur, das Halten der Marktführerschaft in TV, Radio und Online sowie das Schreiben nachhaltig schwarzer Zahlen. "Es wird für einen Stiftungsrat nicht unwesentlich sein, nachdem sie dafür haften: Wem traut man das zu. Ich nehme für mich in Anspruch, schon bewiesen zu haben, dass ich es kann." Politische Packeleien rund um die ORF-Wahl schloss Wrabetz aus. "Wenn der bürgerliche Stiftungsrat Thomas Zach sagt: 'New Deal is no deal', dann stimmt das - und ich hoffe, dass er sich auch selbst daran hält."

Ö1-Chef

Noch vor der ORF-Wahl will Wrabetz übrigens den seit zwei Jahren interimistischen Ö1-Leiter Peter Klein offiziell zum Chef des Kultursenders machen. "Ich werde in den nächsten Tagen die notwendigen Gespräche mit dem Redakteursrat führen", so der ORF-General.