Die unter dem Hashtag #eXit vollzogene Abwanderung eines Großteils der stärksten österreichischen Journalisten-Accounts von X zu Bluesky hat zwiespältige Reaktionen ausgelöst. Dass die Rädelsführer Armin Wolf (640.000) und Florian Klenk (350.000) damit auf eine Millionengefolgschaft verzichteten, verdient aber Respekt. Der Neuaufbau ist auch für den ORF-Star und den „Falter“-Chef mühsam. Die beiden haben zwar bereits wieder 40.000 bzw. 30.000 Follower in der neuen digitalen Heimstatt, doch der Zuzug verlangsamt sich deutlich.

Das einigende Band zwischen den 30 Medienmenschen, die zeitgleich mit Wolf und Klenk umzogen, ist die unerträgliche Rolle von X-Besitzer und Trump-Intimus Elon Musk, der die Plattform politisch missbraucht. Sie hat laut Eigenangaben unglaubliche 600 Millionen User. Das wären 30 Mal so viel wie bei Bluesky, das diese Kennzahl seit September verdoppelt hat. Auch dort gibt es Investoren mit bedenklichem Umfeld, aber die transparente Open Source-Technologie und eine gemeinnützige Unternehmenskonstruktion lassen hoffen.

Die Twitter-Urfunktion des Kurznachrichtendienstes nutzen auch nun inaktive X-Abtrünnige weiterhin. Die Renegaten verschieben aber einen im internationalen Vergleich besonders starken austrospezifischen Zusatzaspekt – die gesellschaftliche Diskussion. Dieses Österreich-Gespräch könnte sich vollends verlagern, wenn die Spitzenpolitik den #eXit nachvollzieht. Vorab fährt sie zunehmend zweigleisig. In Deutschland haben SPD und Robert Habeck den X-Ausstieg revidiert. Wenn der Wahlkampf naht, steht Reichweite vor Haltung.

Unterdessen bietet Bluesky in Österreich die Chance, eine Schieflage zu korrigieren: Es geht weniger darum, dass schon Austro-Twitter als zu links galt. Diese Einschätzung des global zu rechts gesteuerten Netzwerks entsteht auch daraus, dass im Gegensatz zu Facebook, Instagram, YouTube und Tiktok hier nicht die FPÖ die stärksten Politik-Accounts hat. Seltener thematisiert, aber das Gesamtbild der Meinungen stärker verzerrend ist das Wien-Rest-Gefälle. Unter den 38 für den zeitgleichen #eXit Angesprochenen war der Autor dieser Kolumne der einzige aus „den Bundesländern“.

Der Diskurs auf X trägt noch öfter die Hauptstadtbrille als Informationen durch die ORF-Zentrale und die Hälfte des Dutzends Tageszeitungen. Mit dem Neubeginn der größten Journalisten-Accounts auf Bluesky haben Einsteiger vom Boden- bis zum Wörthersee gleiche Startbedingungen. Für die nationale Relevanz wäre es wichtig, dort mehr laute Stimmen zu hören, die nicht aus Wien kommen.

Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten © KLZ