Als Jeff Bezos 2013 die „Washington Post“ erwarb, leistete sich der „Amazon“-Gründer ein Hobby und war damit ein Trendsetter. Marc Benioff legte sich das „Time Magazine“ zu, Apple-Witwe Laurene Powell Jobs „The Atlantic“ , auch Elon Musks „X“-Abenteuer ist artverwandt.

250-Milliarden-Dollar-Mann Bezos leistete sich mit der „Post“ damals eines der renommiertesten Medien des Landes und war um Beruhigung bemüht: „Die Zeitung wird ihren Lesern verpflichtet bleiben und nicht den Privatinteressen ihrer Besitzer. Wir werden der Wahrheit folgen, ganz gleich, wohin sie uns führt“. Bezos hatte auch seine Leidensfähigkeit beschworen, indem er auf die „Washington Post“-Journalisten Carl Bernstein und Bob Woodward bei ihren Recherchen zur Watergate-Affäre verwies: mutig und selbstlos journalistisch, allen Widerständen trotzend.

Kritik der Watergate-Journalisten

Zweifler sehen sich in diesen Tagen bestärkt. Über den Herausgeber, William Lewis, verhinderte Bezos eine vorbereitete Wahlempfehlung für die demokratische Kandidatin Harris. Medienberichten zufolge sollen 200.000 Leser die Entscheidung des Eigentümers mit einer Kündigung ihres Abos quittiert haben.

Auch intern gibt es scharfe Kritik: Die Watergate-Ikonen Woodward und Bernstein kritisierten gegenüber CNN, diese Entscheidung „ignoriere die überwältigenden Beweise, die die ,Washington Post‘ in ihren Berichten über die Bedrohung der Demokratie durch Donald Trump vorgelegt hat“.

US-Medienkultur im Vergleich

In Österreich sind konkrete Wahlempfehlungen durch Tageszeitungen nicht bloß als unjournalistische Parteilichkeit verpönt, sie werden nicht gemacht. Im US-Medienmarkt gehören sie, ganz im Gegenteil, zur eingeübten Praxis; die Redaktion der „Washington Post“ beendete sie nach 36 Jahren. Im Fall der „Los Angeles Times“ waren es 20 Jahre: Die US-Zeitung hatte bereits vor der „Post“ verlautbart, bei dieser Wahl auf eine Empfehlung verzichten zu wollen. Untersagt hatte sie mit Patrick Soon-Shiong, seit 2018 Eigentümer der Zeitung, ebenfalls ein Superreicher.

„Post“ und „L.A. Times“ wurden von zwei Milliardären gekauft, beide handelten gegen den Willen ihrer Redaktion, beide trafen ihre Entscheidung bloß wenige Wochen vor der Wahl. Der Verdacht liegt nahe, dass die ihren Redaktionen auferlegte Selbstzensur im Zusammenhang mit jüngsten Umfragen zu sehen ist. Trumps Chancen stiegen zuletzt ins Weiße Haus zurückzukehren. Jener Trump, der im Wahlkampf mehrfach angekündigt hat, dass er seine politischen Gegner im Land bestrafen würde. Unternehmer wie Bezos und Soon-Shiong wissen, wie viel sie zu verlieren haben.