Das Meer vor der Haustür, Neapel einen Katzensprung entfernt, die Sonne knallt runter und Peppe Guida, der sammelt Steine, wenn es doch um Nudeln gehen soll! Incredibile! Das Geheimnis, das früher einmal Allgemeinwissen war, weil sich eben nicht alle Leute Meeresfrüchte leisten konnten – auf den Steinen ist eine ziemlich dicke Schicht Algen. Und doch mag man es kaum glauben, als Guida die Pfanne anwirft und die Nudeln gemeinsam mit den Steinen flott hin- und herschupft. Ein Arme-Leute-Essen ist das längst nicht mehr: „Heute wird es romantisiert und es luxuriös“, erklärt Guida.
Apropos Romantik: Man kann Nudelgerichten nicht absprechen, dass sie mannigfaltige Gefühle hervorrufen, aber romantisch sind nur bei Susi und Strolchi. Und neuerdings auch bei Netflix. Die vielfach nominierte Kulinarik-Reihe „Chef‘s Table“ geht für drei neue Staffeln weiter: „Nudeln“, „Chef‘s Table: Volume 7“ am 27. November und „Legends“ im nächsten Jahr. Für „Nudeln“ werden zwei Köchinnen und Köche porträtiert, deren Handwerk untrennbar mit Nudeln verbunden ist. Was auf den Tisch kommt? Ja, Nudeln, was sonst, aber auch eine überbordende Mischung aus menschlichen Schicksalen, perfekten Bildern von Bologna bis Kambodscha und eine Überdosis Happy End. Wobei, es ist eigentlich ein Kunststück: Obwohl es ständig ums Essen geht, rückt das in seiner Essenz in den Hintergrund. Den Auftakt macht Evan Funke aus Los Angeles, der nach einer jugendlichen Sinnsuche in einer Pastaschule in Bologna landet. Die Pasta zieht sich wie ein roter Faden durch sein Leben und verbindet Krise, Konkurs und Cannelloni. Das, was die Reihe bislang sehr gut auf die Reihe gekriegt hat, schafft sie dieses Mal nicht: Die Köchinnen und Köche mit Tiefgang zu porträtieren, aber die Kulinarik als wichtigste Zutat nicht aus den Augen zu verlieren. Hier wird unnötig mit viel Emotion aufgepimpt, fast so, als würde man von Nudeln allein nicht satt werden.
Wenn man schon auf Emotionen am Limit aus ist, dann ist man mit dem Dokumentarfilm „She Chef“ von Gereon Wetzel und Melanie Liebheit gut aufgehoben. Heuer für den österreichischen Filmpreis nominiert, ist die Doku aktuell in der ARD-Mediathek abrufbar: Im Mittelpunkt steht Agnes Karrasch, die gleich zu Beginn Messer, um Messer, um Messer und Pflaster in den Koffer wirft. Die Filmemacher begleiten die Kochweltmeisterin (österreichisches Jugendnationalteam), die im Steirereck ausgebildet wurde, auf drei Stationen in der Spitzengastronomie, darunter im Restaurant Vendôme in Bergisch-Gladbach. Es ist ein ungeschönter Blick in den Alltag der Spitzengastronomie, in der Frauen in der absoluten Unterzahl sind. Ein emotionales Wimmelbild, bei dem der Blick auf die einzelnen Protagonisten nicht verloren geht, die an ihre Grenzen gehen. Mehrfach fängt die Kamera abseits des Trubels die Gesamtstimmung in der Küche der Gourmettempel ein und bisweilen wirkt es so, als wäre man in einem Operationssaal: über Edelstahltische gebeugte Menschen in weißen Kitteln, in der Hand kein Kochlöffel, sondern eine Pinzette.