Oft wird mit dem Begriff „alter weißer Mann“ so wild herumgeschmissen, dass man sich erst wieder fragt, wer denn nun wirklich einer ist: ein unbelehrbarer, machthungriger Vertreter des Patriarchats. Einer heißt Thomas Gottschalk. Der 74-Jährige, der dem matten Entertainmentparkett in Deutschland mit „Wetten, dass?“ ab den 1980ern wie kein anderer internationalen Glanz verpasste. Doch das Erbe Gottschalks ist leider zur Farce verkommen.
Der Witz geht nicht auf
„Ich habe Frauen rein dienstlich angefasst“, ließ der Moderator vergangene Woche den „Spiegel“ wissen. Ein Interview, das als Aneinanderreihung von intellektueller Kurzatmigkeit gelesen werden muss. Und als Werbung. Denn zufälligerweise erscheint heute das neue Buch „Ungefiltert“ von Gottschalk. Dieses sei für alle, die sich ein bisschen dafür genierten, anders zu reden, als sie denken würden, sagt der Entertainer vorab. Gottschalk deckt darin natürlich die ganze Klaviatur des anti-woken Sprechs ab. Nichts dürfe man mehr sagen, so der Tenor. Naja, ein großflächiges Spiegel-Interview und einen Verlagsvertrag für sein neues Buch sagen anderes. Im 320-Seiter schreibt er, er sei keiner von denen, die meinten, früher war alles besser - um dann erst wieder genau das zu tun. Er wundert sich über das Gendern oder die junge, ach so faule, Generation Z. Gottschalk fühlt sich sogar bemüßigt, die Tattoowahl seines Sohnes durch den Kakao zu ziehen. Das könnte witzig sein, ist es aber nicht.
Verwunderlich ist das alles nicht. Gottschalk kommt aus einer Zeit, in der das Fernsehen so linear war, wie die Chefetage männlich. In der die einzige Frau im Raum sicher die war, die den Kaffee macht und anzügliche Witze weglachen musste. Im Gedächtnis blieb zuletzt auch die lauwarme Aufwärmrunde von „Wetten, dass?“ im Herbst letzten Jahres. Damals nahmen Schlagerstar Helene Fischer und Rapperin Shirin David auf seiner berühmten Couch Platz. In letzterer meinte Gottschalk keine Opernliebhaberin zu erkennen. Und Feministin schon gar keine. Zu blond, zu gut aussehend war David schließlich. Wenn schon den Hut nehmen, dann gewaltig - das scheint die Devise zu sein. Vermessen wäre es, den Fall Gottschalk als Frage überbordender politischer Korrektheit zu interpretieren. Hier fehlt einfach auf fast schon rührende Art und Weise Anstand und Gespür.