16 Menschen, die für Österreich stehen. Sie unterscheiden sich in Alter, politischer Ausrichtung, Herkunft, Kleidung, Geschlecht. 16 Menschen, die bei einem ORF-Experiment zum Thema Demokratie mitmachten. „Ich habe mit jedem und jeder im Vorfeld telefoniert und ihnen gesagt, dass es um unser Verhalten untereinander, um die Demokratie geht“, erzählt Lisa Gadenstätter über die Genese. Die 46-Jährige führt durch die Sendung und analysiert mit einem Expertenteam das Geschehen. Und es geschieht einiges in diesen 90 Minuten, mitunter geht es ordentlich zur Sache. Die Demokratie, sie will erkämpft werden. Was umso schwieriger ist, wenn jeder was anderes darunter versteht.
Den Teilnehmenden ist Gadenstätter, es brauche viel Mut, sich vor der Kamera zu öffnen: „Von diesen 16 Menschen können wir sehr viel über unser Verhalten, unser Leben und auch über die Politik lernen.“ Das ursprünglich achtstündige ORF-Experiment beruht auf einem 1988 in Jerusalem entwickelten Demokratie-Trainingsprogramm „Betzavta“. Fünf der 200 Übungen wurden für die Sendung ausgewählt.
Die energischen Momente gehören Dietmar aus Wels: Der 54-Jährige hasst gendern und wünscht sich Remigration aller Nicht-Europäer in Österreich. „Gigl und Gogl passt net zamm“, sagt er der dunkelhäutigen Kollegin Iana (21, Linz), die fragend und überraschend ruhig entgegnet: „Aber ich bin die Mischung aus Gigl und Gogl.“ „Ja, trotzdem“, schließt Dietmar, der auch strikt in Abrede stellt, dass es in Österreich noch freie Meinungsäußerung gibt. Gezeigt werden seine Aussagen zur besten Sendezeit. „Vor allem von einem Teilnehmer wurden zu Beginn Befürchtungen geäußert, seine Aussagen würden aus dem fertigen Film dann herausgeschnitten“, erinnert sich Gadenstätter, die anfügt: „Das habe ich nicht gemacht.“
Die ORF-Journalistin hat schon verschiedenste innovative Wege gewählt, um gesellschaftspolitisch wichtige Themen für die beste Sendezeit aufzubereiten. Darunter ein Rassismus-Experiment 2020: Damals wurde der Workshop angeleitet vom deutschen Politologen Jürgen Schlicher, der auch diesmal zum Zug kommt.
In der heutigen Demokratie-Lektion ist die erste Herausforderung das Kartenexperiment: Jeder erhält eine Karte, wer nach zehn Minuten die meisten Karten in der Hand hält, darf alleine eine Regel bestimmen, die für alle und den restlichen Prozess gilt. Um an Karten zu gelangen, ist fast alles erlaubt. Auch die weiteren Experimente sind scheinbar harmlose Spielchen, die aber in der Praxis hitzig ausgefochten werden. Am Ende sollte niemand Geringerer als Österreichs Chef-Politanalyst zum Schluss kommen. „Das ist schon ein Abbild der Wirklichkeit, das wir da miterleben. Auch wenn es nur um Kärtchen geht“, erklärt Peter Filzmaier.
Lehrreich war das 90-minütige Experiment auch für Gadenstätter selbst: „Wieder einmal gelernt habe ich, dass wir unsere stillschweigenden Annahmen viel öfter hinterfragen müssen. Stillschweigende Annahmen bedeutet, dass wir von einer Person, ohne sie zu kennen, eine bestimmte, vorgefertigte Meinung haben.“