„Ich hasse Taylor Swift.“ Angesichts der abgesagten Wien-Konzerte könnte auch ein Austro-Politiker dieses Posting verfasst haben. Doch es stammt von Donald Trump und seiner Plattform Truth Social, die kaum fünf Millionen Nutzer haben dürfte. Der Ex- und Möchte-Gern-Präsident ist dort der einzige, dessen Tun über die Plattform hinaus Beachtung findet. Seit X-Besitzer Elon Musk ihn umwirbt, nutzt der einst von Twitter Verbannte aber wieder seinen Account mit einer Gefolgschaft von 90 Millionen Followern.
Der österreichische Wahlkampf erreicht weder diese Dimensionen noch die inhaltlichen Abgründe. Aber von Karl Nehammer bis Andreas Babler haben die Spitzenkandidaten versucht, via Social Media empathisch zu den Swifties zu sein. So wie sie nun um die Balance zwischen Kampagne-Führung und Katastrophen-Rücksicht ringen. Neben dem Fernsehstakkato sind digitale Plattformen ihre wichtigste Gefechtsarena. Denn anders als in Zeitungen, wo der Journalismus immer das letzte Wort hat, behalten bei Live-TV und in Sozialen Medien die Parteichefs die Kontrolle – oder verlieren sie mitunter.
Weniger Inserate, dafür Werbung auf Social Media
Diese Verlagerung wird augenscheinlich am kargen Inseratenaufkommen sichtbar. Waren Wahlkämpfe einst - auch weil der ORF keine Parteienwerbung bringen darf - Hochzeiten fürs Papier-Anzeigengeschäft, profitieren nun Facebook, Instagram & Co. davon. Für die Genannten veröffentlicht Mutterkonzern Meta einen Transparenzbericht zu Politikeinschaltungen. In den vergangenen 90 Tagen wurden allein für die persönlichen Seiten von Karl Nehammer (149.000) und Herbert Kickl (118.000) sechsstellige Euro-Beträge ausgegeben. Andreas Babler (74.000) folgt auch dort mit Respektabstand. Für Werner Kogler (14.500) und Beate Meinl-Reisinger (6500) wirken die Parteien vorerst knausriger. Doch das täuscht. Sie verfolgen andere Strategien. Neos (57.000) und Grüne (50.000) geben deutlich mehr für ihre Organisationsauftritte aus. Die KPÖ (27.000) liegt in dieser Hinsicht noch klar vor den großen Drei. Dominik Wlazny und die Bierpartei hingegen zahlen nichts an Facebook und Instagram.
Diese Summen sind aber bei weitem nicht vollständig. Regionale und lokale Parteiorganisationen und weitere Kandidaten füllen die hiesigen Filialkassen der globalen Giganten. Von X, YouTube und TikTok gibt es zudem keine Auskünfte über Einnahmen aus Parteiwerbung. Umso handfester wirken dort die Auftritte. Auf X liefern sich Kanzler und Vize ein Follower-Duell, das an die Facebook-Rivalität ihrer Vorgänger Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache erinnert. Doch die hatten dort bis zur Ibiza-Zäsur jeweils 800.000 Fans, Nehammer und Kogler liegen auf dem einstigen Twitter Kopf an Kopf erst bei einem Zehntel, während Kickl diese Plattform weiter meidet. Denn dort gibt in Österreich ungeachtet der rechten Eigentümer-Strategien aus den USA das Mitte-Links-Lager den Ton an. Wobei insbesondere Babler immer hartnäckigere Fans verzeichnet, die Kritik an ihm wütend entgegnen. Dabei stricken sie vorsorglich am Narrativ „Die Medien sind schuld“ für eine allfällige Enttäuschung am Wahlabend.
FPÖ geht ihren eigenen Weg
Vor allem die FPÖ entkoppelt sich unterdessen zusehends von herkömmlichen Medien. Kickl hat auf Facebook mehr Follower (285.000) als seine vier Hauptkontrahenten plus Bierpartei zusammen. Er liegt auf Instagram zwar nur knapp voran (70.000), spielt aber auf TikTok (85.000) in einer anderen Liga als die gesamte Konkurrenz. Einzig Marco Pogo wäre ihm dort auf den Fersen, doch unter diesem Pseudonym postet Dominik Wlazny nichts mehr, seit er die Bierpartei unter seinem Klarnamen in den Nationalrat bringen will. Unterdessen unterhält die FPÖ parallel zum Chef-Auftritt einen erfolgreichen Parteikanal (67.000) auf TikTok, während sie für älteres Publikum neben Facebook vor allem auf YouTube setzt. Was dort ihre aktuell 214.000 Abonnenten für FPÖ TV bedeuten, zeigt am besten der Vergleich mit dem fast zehnmal so bevölkerungsreichen Deutschland. AfD TV hat 282.000 Abos.
Das alles dient nicht nur im Wahlkampf einer Politik vorbei an der öffentlichen Wahrnehmung. Die Algorithmen der Social Media belohnen Aggressivität und vermitteln Selbstbestätigung. Das hat in den USA schon dazu geführt, dass nur noch ein Zehntel der republikanischen Anhängerschaft herkömmlichen Massenmedien vertraut.
In den Nachrichtenwüsten, wo es solche journalistischen Angebote nicht mehr gibt, wachsen die Parallel-Universen der Desinformation. Trump hat dort schon 2016 besonders stark gepunktet. Dass Barack Obama mit 140 Millionen um 50 Prozent mehr X-Follower hat, ist ein schwacher Trost. Sein jüngster Tweet dort ruft auf, sich als Wähler registrieren zu lassen. Nachsatz: „Lasst es uns erledigen.“ Das gilt auch für Österreich – ganz ohne Registrierung.