Sein dritter Kampf gegen die frühere Box-Weltmeisterin Regina Halmich war am Samstag in Düsseldorf eine Lektion des Spektakels um jeden Preis. Ein Stundenfresser als Gaudium, dramaturgisch abgemischt, choreografisch ausgerollt, vor 13.000 Zuschauern auf sechs Runden gestreckt und mit einem Verlierer am Ende, der sich die Hände reiben kann: Stefan Raab ist zurück.

Die Inszenierung ist alles, der Sport wenig oder nichts. Was zu einer Frage führt, die sich auch die „Süddeutsche“ stellte: „Braucht er uns oder brauchen wir ihn?“ Dass der deutsche Privatsender-Tanker RTL Raab braucht, darf angenommen werden. Sein Boxkampf vor im Schnitt 5,9 Millionen TV-Zuschauern bezeugte befriedigte Neugierde: Raab-Schauen, so wie früher, nur älter, war wieder massentauglich.

Apropos Millionen: Wie nach dem Boxkampf angekündigt („Ich habe mir überlegt, ich mache wieder Shows!“), legt der ausgebildete Fleischhauer schnell einen weiteren Baustein seines Comebacks nach. In „Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“ – kurz oder auch nicht „DGHNDMBSR“ – tritt er, sekundiert vom Langzeitkollegen Elton, gegen einen von fünf Kandidaten an, die im Erfolgsfall eine Million Euro gewinnen. Dafür müssen laut RTL alle Fragen beantwortet und die Duelle mit Raab gewonnen werden. Die wöchentliche Show ist Auftakt eines Langzeitprojekts: Der Kölner Sender hat den Entertainer exklusiv für fünf Jahre an sich gebunden.

Raab steht für eine Fernsehgeneration, die sich noch gerne vom klassischen Fernsehen führen und verführen ließ. Weil die Show gut war, knallte und eine Weile auch Innovation für sich beanspruchen durfte. Wie „Schlag den Raab“ oder diverse Castingshows: von „Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf“ bis zu „Unser Star für Oslo“, das mit Lena Meyer-Landrut die Song-Contest-Siegerin hervorbrachte. Auch wenn der Kölner fast neun lange Jahre weg vom Schirm und mittlerweile 57 ist, seine Generation ist noch affin mit dem klassischen Fernsehen. Dort will er aber gar nicht mehr hin, ins Fernsehen. Oder zumindest zunächst nicht.

Weshalb die Spieleshow „Du gewinnst hier nicht die Million bei Stefan Raab“ nicht auf RTL, sondern im Streamingdienst RTL+ zu sehen ist. Die teure Streaming-Wette auf Raab ist damit gesetzt, rien ne va plus. Der Privatsender wagt den Schritt nach vorne, startet ein Experiment, dass es in dieser Größenordnung im deutschsprachigen Streamingraum noch nicht gab.

Wie dringend das deutsche Fernsehen Innovationen im Unterhaltungsbereich brauchen könnte, zeigen Blicke ins heutige TV-Programm – wo Veteran Dieter Bohlen (70) eine neue Staffel von „Deutschland sucht den Superstar“ einläutet – und auf die Nominiertenliste des nächste Woche vergebenen Fernsehpreises. Mit „Let’s Dance“, „Lass dich überwachen“ und „Wer stiehlt mir die Show?“ haben ausschließlich altgediente Shows Chancen.

„Innovation gibt’s nicht umsonst. In Zeiten, in denen die Budgets einfach nicht mehr so locker sitzen, ist es schwieriger, etwas ganz Neues zu lancieren. Die Sender setzen auf vertraute Marken, bekannte Köpfe und bewährte Spielprinzipien. Das ist durchaus nachvollziehbar, bedeutet aber nicht, dass es keine Ideen in der Unterhaltung gibt“, erklärte dazu jüngst Ute Biernat gegenüber dem Branchendienst „Dwdl“. Die Geschäftsführerin von UFA Show & Factual ortet im Genre eine Wellenbewegung: In Zyklen wird wieder „in“, was schon fast vergessen wurde. In diese Kategorie möchte auch Stefan Raab fallen. Und RTL wird alles versuchen, damit er seine neue Welle möglichst erfolgreich reitet.