Größer hätte der Unterschied zwischen der Person Anna Sawai und ihrer Rolle der Toda Mariko in der Serie „Shōgun“ (Disney+) nicht sein können: Bei der Verkündung ihres Namens brach die 32-Jährige in Tränen aus. Als Toda Mariko hingegen, gibt sie die kontrollierte, zurückhaltende Dolmetscherin am japanischen Hof im Jahr 1600. Die Serienadaption des Romans von James Clavell hat bei der Emmyverleihung in der Nacht auf gestern rekordverdächtig abgeräumt: 18 Preise hat die Serie bekommen, keine Serie wurde in einem einzigen Jahrgang so oft ausgezeichnet. Was sich nach den 25 Nominierungen nicht mehr hat leugnen lassen, kann man nach der Verleihung gesichert so stehen lassen: „Shōgun“ ist die Serie des Jahres.
Es war schon Richard Chamberlains Lieblingsrolle für das Fernsehen, als er 1980 in die Rolle des britischen Navigators John Blackthorne schlüpfte, der um 1600 mit einer Handvoll Überlebender im streng abgeschirmten Japan landet. Hineingeworfen in eine Gesellschaft, deren Regelwerk so eng geknüpft ist, dass jeder Atemzug zu viel einem Verstoß gleichkommt. Die Kriegerkaste der Samurai gibt den Takt vor, der Rest tanzt nach ihrer Pfeife. Blackthorne gerät mitten in den Machtkampf um die Vorherrschaft, aber er lernt schnell, auch dank der Hilfe seiner Dolmetscherin Toda Mariko.
Die Serie, deren japanischen Passagen nur untertitelt sind, fokussiert nicht auf die großen Schlachten, sondern schachbrettartig auf die vielen Spielarten der Macht, auf die Zwischentöne und Gesten. Es ist nicht nur die bedingungslose Unterwerfung unter ein System, das hier gezeigt wird, sondern die Ausübung der Unterwerfung als oberste Pflicht, als individuelle Berufung, die keine Selbstzweifel aufkommen lässt. John Blackthorne, dessen zupackender Charakter auf diese Machtmaschine trifft, die aus Zeremonien, Ritualen und hierarchischen Abstufungen besteht, bildet den Gegenpart zum ebenfalls mit einem Emmy ausgezeichneten Hiroyuki Sanada. Der japanische Schauspielstar mimt den Fürsten Yoshi Toranaga, der mit seinem intensiv-reduzierten Spiel die stille, brutale Präsenz von Macht in lichte Höhen treibt.