Während die USA den jährlichen Gallup-Poll zum Medienvertrauen erwarten, wird hierzulande eine gesellschaftliche Zeitbombe enthüllt. In Amerika geht es darum, dass laut der Umfrage (seit 1972) zuletzt nur jeder zehnte Republikaner herkömmliche Nachrichten geglaubt hat. Der tiefste Absturz der kontinuierlichen Abwendung vollzog sich 2016 vor der Wahl von Donald Trump.
Unterdessen erklärt Sozialwissenschaftlerin Sylvia Kritzinger, ein Fünftel der hiesigen Bevölkerung sei resistent gegen Bildung und fundierte Information. Das ist für Medien verheerend und Sprengstoff für unser Zusammenleben. Ungeachtet des Parteienstreits, wie sehr Bildung vererbt wird, gilt das für Unbildung noch mehr. Was also tun? 20 Prozent links oder rechts liegen lassen?
Medienforscher Josef Seethaler sagt, dass drei Viertel der Menschen, die für seriöse Information erreichbar sind, glauben, diese von Qualitätszeitungen und öffentlich-rechtlichem Fernsehen zu erhalten. Social-Media-Vertrauen liege hingegen im einstelligen Prozentbereich. Das verführt dazu, sich mit den Abgehängten abzufinden. Zumal der Umgang in den fälschlich so genannten sozialen Medien das Niveau der Nachrichtenvermittlung untergräbt. Boulevard ist der Feind von Qualität.
Doch Unwissen vermehrt sich auch. Das Fünftel könnte nur der Anfang sein. Die Kombination von Unzugänglichkeit für Bildung und Information kann nicht nur den Schulen als Herausforderung überlassen bleiben. Sie sind zu langsam für eine Trendwende. Das müssen Medien bewerkstelligen. Indem sie dorthin gehen, wo es weh tut. Das endet nicht bei unterhaltsamen Plattformen wie TikTok. Es muss auch von Verschwörungstheorien wimmelnde Kanäle wie Telegram umfassen.
Aus dieser Perspektive scheint die „Zeit im Bild“ mit ihrer halben Million Follower auf TikTok vorerst auf dem richtigen Weg. Die Küniglberger finden den richtigen Ton für dort. Doch dies geschieht durch Anpassung an die Plattform. Das so gewonnene Publikum wird sich kaum auf den Stil des ORF umstellen. Um es langfristig zu behalten, muss er seine Nachrichtenvermittlung ändern.
Eine andere Strategie wäre, mit einer starken alten Medienmarke zwar auf die neuen Kanäle zu gehen, auch deren Stil dort zu pflegen, aber nicht mit ureigenen Stärken. Zugespitzt: Tanzen ja, Infos nein. Anlocken nach dem Prinzip: TikTok ist okay, aber wenn es wichtig ist, musst du zu uns kommen. Vielleicht ist das naiv und sicher mühsamer. Doch die umgekehrte Vorstellung, dass die Info-Vermittlung der Zukunft so abläuft wie TikTok heute, erscheint noch bedrohlicher.