Seine Loge bleibt leer. Richard Lugner war ein Mann der Bühne und die Bühne war er selbst. Er war „Wiener Original“ (Alexander Van der Bellen), Selfmade-Millionär, Seitenblicke-Dauergast und Möchtegern-Bundespräsident. Den wahlweise ehrwürdigen oder allzu ehrwürdigen Opernball erkannte er als Marketinginstrument, kaperte ihn kurzerhand mit zugekauftem Glamour. Am Montagmorgen schlief Richard Lugner, ein Monat nach einer Herzoperation, friedlich in seiner Döblinger Villa ein.

Moschee als Türöffner für Richard Lugner

Geboren wurde er 1932 in Wien. Weil sein gleichnamiger Vater im Zweiten Weltkrieg in Russland starb, zog ihn von seinem 11. Lebensjahr an die Mutter alleine auf. In einfachsten Verhältnissen erlebte Lugner prägende Jugendjahre: „Geschadet haben mir Entbehrungen während des Krieges nicht“, erzählte er später: „Ich sehe die Welt heute anders.“ Nach absolvierter HTL war es die Mutter, die ihm den ersten Job in einer Baufirma verschaffte, „denn ich war ja unglaublich schüchtern, das glaubt man ja gar nicht.“ Im Angestelltenverhältnis hielt er es nicht lange aus, begründete sein eigenes Unternehmen und damit seinen Spitznamen: Mörtel.

Die ersten großen Schlagzeilen wurden über Richard Lugner geschrieben, als er das Vertrauen des saudi-arabischen Königs König Faisal ibn al-Aziz erhielt und eine Moschee in Floridsdorf, die erste ihrer Art in Österreich, errichten durfte. Diese Aufmerksamkeit, sie gefiel dem Baumeister. Ende der 80er begann schließlich die Metamorphose des Baumeisters zum Shoppingcenter-Besitzer und Society-Löwen. Um 14 Millionen Schilling erwarb er 1988 am Wiener Gürtel einen Baugrund, auf den er seine „Lugner City“ stellte. Ein Shoppingtempel, weniger charmant als bekannt, für dessen Eröffnung sich Lugner Bürgermeister-Gattin Dagmar Koller einlud. Glamour-Faktor – Lugner verstand früh, wie er fremden Glanz auf sich abfärben lassen kann.

Die Idee, Stars zum Opernball einzuladen, hatte sich Lugner bei Christa Mayrhofer-Dukor, Ex-Frau von Billa-Gründer Karl Wlaschek, abgeschaut. Nachdem diese 1990 Prinzessin Caroline von Monaco eingekauft hatte, zog der frischgebackene Shoppingcenter-Besitzer nach: 1992 kam Entertainer Harry Belafonte für 100.000 Schilling nach Wien. Er sollte einer von Lugners wenigen männlichen Stars werden. Von Ivana Trump (1994), Spice-Girl Geri Halliwell (2005, „Die war die Schlimmste von allen!“) bis Kim Kardashian (2014). Nicht alle wussten, worauf sie sich eingelassen hatten: „Ich dachte bis zuletzt, dass ich eine Opernaufführung besuche“, erklärte Jane Fonda 2023.

9,9 Prozent bei der Bundespräsidentschaftswahl für Lugner

Als ihm die Staatsoper nicht mehr reichte, strebte Lugner in die Hofburg. Knapp zehn Prozent der Wähler wollten ihn 1998 als Bundespräsident, ein zweiter Versuch 2016 endete bei 2,2 Prozent. 1999 reichte es bei der Nationalratswahl für 1,1 Prozent. Dabei gab sich Lugner stets siegessicher: „Der Kasperl gewinnt immer“, sagte er und ließ Sympathien für Donald Trump erkennen: Er sehe eine „gewisse Ähnlichkeit“, aber er wolle „seriöser Baumeister bleiben“.

Politisch blieb es beim Wünschen, im Liebesleben schuf er Fakten. Sechs Ehen und viele Beziehungen werden es am Ende gewesen sein, jede noch ein wenig mehr öffentlich, tierische Spitznamen waren das Markenzeichen. Von Mausi über Hasi, Käfer, Bambi, Katzi, Kolibri, Spatzi und Bienchen. Erst vor wenigen Monaten heiratete der Mann mit dem leicht entflammbaren, zuletzt schwer kranken Herzen zum sechsten Mal. Bloß 72 Tage sollten es zwischen Eheschließung und Lugners Tod werden. Aus seinen Beziehungen gingen vier Kinder hervor und sie gehören zu den wenigen Aspekten im Leben des Richard Lugner, die er von der Öffentlichkeit abschottete.

Lugner war Menschenfreund und Menschenfänger im besten Sinn, ausgestattet mit einem Gespür für die Aufmerksamkeitsökonomie des alten Schlags. Dass ihm wenig würdige Episoden im Privatfernsehen in der Öffentlichkeit nicht schadeten, sondern das Mörtel-Feuer sogar weiter schürten, bezeugt seinen Sonderstatus. Kritik lächelte er weg, nahm sie nicht persönlich: „Ich blende das alles aus, ich bin gut im Verdrängen und nicht nachtragend“, sagte er einmal in einem Interview. Die Kategorisierung, was peinlich ist, überließ er nicht den anderen: „Auch der Kasperl zu sein ist eine Form von Erfolg“.