Wenn Martin Thür am kommenden Montag um 21.05 Uhr Beate Meinl-Reisinger befragt, ist das der Auftakt zu den 42. ORF-Sommergesprächen seit 1981. Erfunden von Peter Rabl, fanden sie nur 2008 und 2013 nicht statt, als die Nationalratswahlen wie heuer am letzten Sonntag im September waren. Die Nähe zu den Kandidaten-Konfrontationen erschien zu knapp. Zur Sorge vor einem Zuviel an Polit-Talk kamen damals auch stagnierende Reichweiten für dieses Sendungsformat.
Seit 2015 sind Zugkraftzweifel Vergangenheit. Mit Interviewer Hans Bürger knackte Heinz Christian Strache die Millionenmarke, Frank Stronach landete auf Rang 2 der ewigen Quotenliste. Mittlerweile ist er nicht mehr in den Top Ten, Sebastian Kurz hingegen viermal – 2017 und 2019 sogar vor dem Rekord von Strache. Zweimal Herbert Kickl sowie Christian Kern, Pamela Rendi-Wagner und Norbert Hofer vervollständigen die ersten zehn. Unter den 20 meistgesehenen Gesprächen sind nur zwei älter als eine Dekade – Armin Wolfs Strache-Verhör von 2012 und Elmar Oberhausers Wortringen mit Jörg Haider 1994. Dementsprechend war eine Absage wegen Wahlnähe heuer kein Thema.
Die größte Herausforderung bei den längsten Politikerbefragungen des Jahres ist der Neuigkeitswert. Erstmals seit 2012 finden sie in der gleichen Besetzung wie im Vorjahr statt. Mit dem Traunsee gibt es auch bloß eine Variante der bewährten Kulisse Austro-Natur. 2023 hatte Susanne Schnabl noch auf die strenge Kammer im Parlament gesetzt – ein Gegenpol zu 2009, als Ingrid Thurnher mit Künstlern als Co-Interviewern auf Festspielbühnen agierte. Viel Ablenkung von Thürs Versuchen, seine Gäste aus der nichtssagenden Reserve zu locken, gibt es also nicht.
Umso reizvoller wird der Vergleich mit den Sommergesprächen auf Puls 4, wo Gastgeber Meinrad Knapp bisher nur fünfstelliges Live-Publikum hat. Im Wechsel mit dem ORF lassen sich so innerhalb von 15 Tagen fünf Interviews mit den Chefs der Parlamentsparteien verfolgen. Andreas Babler und Karl Nehammer sind schon am 6. und 13. August beim Privatsender, während der Kanzler erst am 2. September am Traunsee ist. Der Schlusstermin hat nicht nur wegen der Wahl 27 Tage danach seine Tücken. Ab 1. September soll ein neuartiger Teletest TV-Reichweiten ausweisen. Das ist überfällig. Doch die Daten werden kaum vergleichbar sein. Das ist schade für die Statistik der Sommergespräche, doch rüttelt nicht an ihrem Stellenwert. Kein anderes TV-Format kann Politikern näher kommen. Ihr Umgang mit der Angreifbarkeit im doppelten Wortsinn wirkt vor einer Wahl noch wichtiger als sonst.