Schon in wenigen Wochen wird das ORF-Büro in Moskau wieder besetzt sein, zumindest zwischenzeitlich. Der erfahrene Journalist Christian Lininger hat die Akkreditierung bereits erhalten, heißt es vom ORF. Anders als seine Vorgängerinnen Carola Schneider und Maria Knips-Witting wird er nicht dauerhaft aus Russland berichten, sondern nur fallweise nach Russland reisen.
Die Korrespondenten sind eine zentrale Säule des ORF, „sie tragen wesentlich zur Akzeptanz des ORF bei“, erklärt Roland Weißmann bei einem Termin anlässlich der Halbzeit seiner Generalintendanz. Angetreten mit dem Motto, den ORF „jünger, digitaler, diverser“ werden zu lassen, sieht sich Weißmann auf einem guten Weg.
Rückblickend zählt er Corona, Ukrainekrieg, Inflationskrise, VfGH-Urteil, Digitalnovelle und neue Finanzierung als Wegmarken auf. Öffentlich weniger Beachtung fand der Bezug des multimedialen Newsrooms – ORF-intern naturgemäß mit Widerständen verbunden. Weißmann sieht sich am Beginn einer Transformation, nicht am Ende.
Im Herbst wird eine ORF Strategie 2030 vorgestellt. Ob er dann auch noch Generaldirektor ist? Lust hätte Weißmann, der seit bald 30 Jahren beim ORF ist. Schon die Nationalratswahl im Herbst könnte eine Fortsetzung seiner Direktion verunmöglichen. Die FPÖ, in Umfragen vorne, hat mehrfach angekündigt, bei einer Regierungsbeteiligung den ORF verkleinern zu wollen – Stichwort Grundfunk. Was das für den ORF bedeuten würde? Dazu sagt er nur: „Eine Regierung macht die Gesetze. Wir können nur sagen, wie wir unser Geld einsetzen und was die Nation demokratiepolitisch davon hat.“
„Im Zentrum“ läuft aus
Keine Zukunft beim ORF hat „Im Zentrum“. Das wichtigste Diskussionsformat des ORF kehrt vor der Nationalratswahl aus der Sommerpause zurück, die Absetzung erfolgt aber noch heuer. 2025 kommt das Nachfolgeformat ins Fernsehen, die Diskussionsleitung wird gecastet. Davon ist abzuleiten, dass eher nicht mehr mit Claudia Reiterer geplant ist. Ein neues Diskussionsformat soll zudem den Mittwoch aufwerten, der Arbeitstitel lautet „ZiB Talk“.
Apropos ZiB: Die erhält ein Äquivalent, das erst durch die Digitalnovelle möglich wurde. Im September startet die Zeit im Bild auf YouTube und soll speziell Nachrichtenverweigerer und die junge Zielgruppe ansprechen: „Menschen also, die wir bisher nicht erreicht haben“. Für die zweite Hälfte seiner Generaldirektion kündigte er einen Streaming-Schwerpunkt an, acht bis zehn Millionen Euro sollen in diesen Bereich umgeschichtet werden.
Ski-Übertragungen „existenziell wichtig“
Eine ausdrückliche „Gratulation an ServusTV“, richtet Weißmann dem Konkurrenten aus Salzburg aus und dankt „für die angenehme Kooperation.“ Die kleinen Untergriffe sind vergessen: Servus-Chef Ferdinand Wegscheider hatte dem ORF während der Euro vorgeworfen, ein „schlechter Verlierer“ zu sein und „ein Foul“ von Weißmann geortet. Der ORF-Chef erkennt keine Schäden in der Senderbeziehung und stellt eine Kooperation für die Fußball-WM 2026 in Aussicht – dann ist wieder der ORF Rechteinhaber.
Der Vergleich mit der Konkurrenz während der EM habe die eigenen Schwächen offengelegt, sagt Weißmann: „Wir haben in einigen Bereichen Adaptionsbedarf“. Wo genau? Der ORF-Chef kündigt Veränderungen im Bereich der Moderation an, eine Verjüngung steht an.
Wie damals mit Antenne Steiermark
Die Konkurrenz durch ServusTV vergleicht Weißmann mit dem Aufkommen des Privatradios. Antenne Steiermark war ein Pionier in Österreich, „die fuhren uns um die Ohren“, erinnert sich der 56-Jährige. Der neue Herausforderer habe sich positiv auf das eigene Angebot ausgewirkt, habe Ö 3 besser und innovativer gemacht.
Interesse bekundet Weißmann an den Fußball-Bundesligarechten, abhängig davon, wie diese ausgeschrieben werden. Man werde „im Rahmen der Möglichkeiten“ agieren, auch eine Kooperation sei denkbar. Aktuell liegen die Bundesligarechte bei Sky, der ORF darf pro Saison nur vier Live-Spiele zeigen. Eine Kooperation ausschließen dürfte Weißmann hingegen bei den Ski-Übertragungen: „Diese sind existenziell wichtig für uns“, sagt der ORF-Chef. Die aktuellen ÖSV-Rechte laufen noch bis 2026/27.
„Die goldenen Zeiten, die waren“
Weißmann, im Februar seit 30 Jahren beim ORF, kann vermelden, einige der Phantomhaushalte entdeckt zu haben. Wie berichtet fehlten im Budget 170.000 zahlende Haushalte gegenüber der Berechnung bei Einführung der Haushaltsabgabe. „Wir haben wieder 10.000 gefunden“, sagt Weißmann. Was die finanzielle Situation anlangt, macht er sich keine Illusionen: „Die goldenen Zeiten, die waren.“ Das betreffe die gesamte Medienbranche. Dies, inklusive niedrigerer Gehaltsabschlüsse, sei auch intern mitunter schwierig zu vermitteln. Seine Arbeit als Generaldirektor mache Spaß, auch wenn der ORF nicht immer eine „Wohlfühloase“ sei.