Es läuft bestens. Nicht nur für das ÖFB-Team, das am Dienstagabend gegen die Türkei um den Aufstieg ins Viertelfinale spielt, sondern auch für ServusTV. Der Privatsender überträgt heuer zum ersten Mal die EM und hat als österreichischer Sportrechteinhaber alle Topspiele im Portfolio. Das zahlt sich aus: Das letzte Gruppenspiel verfolgten am Dienstag im Schnitt 1,74 Millionen Zuschauer, in der Spitze waren es 2,2 Millionen. Entsprechend hoch auch der Marktanteil: Dieser lag bei 67,5 Prozent, in der jungen Zielgruppe sogar bei 76,1 Prozent. Für einen Privatsender astronomische Werte, die alte Fernsehmarktordnungen aufsprengen.

Er ist der Euro-Chef in Salzburg: Servus-Sport-Chef Christian Nehiba
Er ist der Euro-Chef in Salzburg: Servus-Sport-Chef Christian Nehiba © ServustTV/Philipp Carl Riedl

Ein Feiertag für ServusTV

Der heutige Tag ist durchgetaktet, zunächst im Rhythmus des Motorsports, am Abend übernimmt König Fußball. Zu MotoGP kommen von der Formel 1 das Sprintrennen aus Spielberg (12 Uhr) und das Qualifying (16 Uhr). Anders als in den vergangenen Jahren, als es zwei Rennen gab, hat ServusTV beim Heim-Grand-Prix ein Solo – der ORF ist nur Zuschauer. Am Abend lockt das EM-Achtelfinale zwischen Deutschland und Dänemark (21 Uhr). Mit diesen Top-Sportevents ist alles angerichtet für einen Tag für die Servus-Geschichtsbücher. Ein Tag, auf den seit Jahren mit Millioneninvestitionen in Sportrechte und einer Professionalisierung in der Servus-Zentrale hingearbeitet wurde.

Die Kosten der EM

Die Höhe der Investitionen, die noch Didi Mateschitz für die TV-Rechte absegnete, ist ein gut gehütetes Geheimnis. ServusTV kommentiert Spekulationen nicht, dass allein die Euro-Rechte rund 15 Millionen gekostet haben soll. Seit dem Tod des Finanziers hat sich an der Oberfläche des Senders wenig geändert. Der Wachstumspfad wird beibehalten, auch wenn sich die Konkurrenz eher anderes erhofft hatte. Die Erwartungen eines abgedrehten Geldhahns bestätigten sich nicht.

Der Lackmustest folgt allerdings erst. Die Nachhaltigkeit des zwischenzeitlichen Quotenhochs wird ein Kriterium. Die Nachhaltigkeit der Investitionsbereitschaft ein anderes: Aktuell ist das Sportrechteportfolio gut bestückt: Rund 35 Rechte sind es, von Formel 1 (bis 2026) über Europa League (ab Herbst) und DFB-Pokal (bis 2026) bis America’s Cup.

Die schwierige Nachhaltigkeit des Quotenhochs

Tief in die Tasche gegriffen werden muss wieder, wenn die Weltmeisterschaft 2030 ausgeschrieben wird. Oder wenn ServusTV in den Skiweltcup einsteigt und damit ORF 1 existenzgefährend angreift: Voraussetzung dafür wäre neben wohl einer Neuregelung der Vergabe – Stichwort Zentralvermarktung – auch das Überwinden einer hohen finanziellen Hürde. Der ORF wird den Skiweltcup unbedingt halten wollen: „Solange wir diese Rechte exklusiv haben, müssen wir darum kämpfen, sie zu behalten“, sagte ORF-Sport-Chef Hannes Aigelsreiter jüngst zur Kleinen Zeitung.

Auffallend zurückhaltend ist in diesen für ServusTV bedeutsamen Wochen und Monaten Senderchef Ferdinand Wegscheider. Der 63-Jährige ist auch nach seiner Auszeit im vergangenen Sommer der große Abwesende. Es scheinen Zeiten zu sein, in denen der Sender mit nichts anderem als seinem Programm auffallen möchte. Man will der neue Nationalsender sein.

Von einem „Sommermärchen“ spricht Servus-Sport-Chef Christian Nehiba. Das Zuschauerinteresse würden „die an sich schon hohen Erwartungen“ noch übertreffen, „was natürlich auch den guten Leistungen unseres Nationalteams geschuldet ist.“ Die größten Herausforderungen in der ersten EM-Hälfte seien jenen ähnlich, die das ÖFB-Team hatte: Die Gruppenphase überstehen. „Jeden Tag mindestens 2 Spiele über knapp 2 Wochen, das ist eine unglaubliche Herausforderung“, sagt der 58-Jährige, der 2018 nach Salzburg wechselte.

ServusTV überholt den ORF

Kurzfristig geht die Rechnung auf, nicht nur, weil offenbar das Interesse der Werbetreibenden groß war, Teil des Servus-Abenteuers zu werden. Am Sehermarkt wird man im Juni rund elf Prozent Marktanteil erreichen, in der jungen Zielgruppe (12-49) sogar rund 14 Prozent. Das sind Höhen, die zuvor kein privater Fernsehsender in Österreich auch nur ansatzweise erreicht hat. Zwar legt auch ORF 1 im Juni deutlich zu, ServusTV wird trotzdem erstmals von dem Einser liegen.

Auch wenn der ORF bei dieser EM nur die Junior-Rolle einnimmt, läuft es nicht schlecht für den öffentlich-rechtlichen Sender. Auch wenn einige Detailergebnisse verheerend sind: Als auf ServusTV 1,7 Millionen Menschen bei Österreich-Niederlande mitfieberten, sahen Frankreich-Polen im ORF-Programm gerade einmal 55.000 Zuschauer. Mitunter hatte man in den Gruppenspielen aber auch Erfolgserlebnisse und sogar mehr Zuschauer als der Konkurrent aus dem Westen - obwohl sich dieser die Spiele aussuchen darf. So gelang mit Georgien-Portugal am Mittwoch ein Glücksgriff, der mehr Zuschauer anlockte als Tschechien – Türkei bei Servus. Das höchste Zuschauerinteresse erreichte im ORF Spanien – Kroatien mit mehr als 700.000 Zuschauern.

Die medienpolitische Diskussion, ob der ORF bei der Rechtevergabe versagt habe, wie es FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl, kritisierte, muss sich der Küniglberg gefallen lassen. Gleichzeitig plädiert die FPÖ für einen ORF-„Grundfunk“ – also einen Mini-ORF. Dieser wäre noch viel weniger in der Lage, teure TV-Rechte zu finanzieren.

Die Argumentation des ORF, TV-Rechte im Sinne der Gebührenzahler nicht um jeden Preis erwerben zu wollen und zu können, ist die Gegenseite. Und immerhin habe man die TV-Rechte für die WM 2026 erwerben können. Die EM 2028 ist wieder bei ServusTV. Rückendeckung kommt vom Rundfunkrechtler Hans Peter Lehofer, der die Frage stellt, ob der ORF ServusTV überbieten hätte sollen:

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Dass man mit den Servus-Spitzenwerten durch ÖFB- und Finalspiele nicht mithalten kann, wusste man am Küniglberg schon vorher. Gleichzeitig erweist sich die Zusammenarbeit mit ServusTV wie in der Formel als fruchtbar. Das Modell der kollegialen Konkurrenz hat sich bewährt und ist kein österreichisches Phänomen. In Deutschland teilen sich gleich vier Anbieter die Europameisterschaft: Rechteinhaber MagentaTV zeigt alles, fünf Spiele exklusiv – darunter übrigens das Achtelfinale der Österreicher gegen die Türkei, das damit in Deutschland nicht im FreeTV zu sehen sein wird. Einzelne Spiele übertragen ARD, ZDF und RTL. Den Kuchen aufzuteilen, hat sich bewährt. Größer Profiteur dieser kompetitiven Zusammenarbeit ist das TV-Publikum.

Die EM-Quoten von ServusTV (bis 28. Juni)

Vom Rechtekäufer und zum Verwerter

„Um den nächsten Schritt zu gehen, musste man in Sportrechte investieren“, sagte Servus-Manager David Morgenbesser vor einigen Jahren in einem Interview mit der Kleinen Zeitung. 2019 als Sportrechtexperte von Sky geholt, verantwortet er mittlerweile den gesamten Commercial-Bereich des Red Bull Media Houses und steht damit für eine sinnbildliche Entwicklung. Was noch zu Lebzeiten von Didi Mateschitz mit Millionen Euro erworben wurde, will auch entsprechend verdient werden. Was sich nicht einnahmenseitig verbuchen lässt, soll auf die Marke einzahlen.

Eingerechnet in die vom Teletest festgestellten Zahlen werden auch die Zugriffe über die Streamingplattform Joyn. Der vom ProSiebenpuls4Sat.1 betriebene Dienst will keine konkreten Zahlen nennen, freut sich aber über „eine gute Nutzung wegen der Fußball-Euro“. Nicht im Teletest erfasst sind die reinen Online Zugriffe: Allein das Niederlande-Spiel hatte auf ServusTV ON 831.000 Views und 27,5 Millionen gesehene Minuten – ein Rekord für die Streamingplattform.

  • 14.06.: Deutschland – Schottland: 746.000, Marktanteil 29,5 % (12+) und 35,6 % (E12-49)
  • 15.06.: Italien – Albanien: 652.000 Zuseher, Marktanteil 29,0 % (12+), 38,5 % (E12-49)
  • 16.06.: Serbien – England: 766.000 Zuseher, Marktanteil 29,5 % (12+), 36,4 %. (E12-49)
  • 17:06.:
  • Rumänien - Ukraine: 255.000 Zuseher, Marktanteil 31,2 % (12+), 27,7 % (E12-49)
  • Österreich – Frankreich: 1.660.000 Zuseher, Marktanteil 53,8 % (12+), 64,5 % (E12-49)
  • 18.06.: Portugal – Tschechien 794.000, MA 38,1 % (12+), 50,9 (E12-49)
  • 19.06.: Schottland – Schweiz 677.000, MA 33,9 % (12+), 41,7 % (E12-49)
  • 20.06.:
  • Slowenien – Serbien 328.000, MA 40,5 % (12+), 47,9 % (E12-49)
  • Spanien – Italien 871.000, MA 39,8 % (12+), 51,0 % (E12-49)
  • 21.06.:
  • Slowakei – Ukraine 326.000, MA 32,9 % (12+), 36,7 % (E12-4
  • Polen – Österreich 1.435.000, MA 58,2 % (12+), 71,9 % (E12-49)
  • Niederlande – Frankreich 972.000, MA 43,5 % (12+), 55,3 % (E12-49)
  • 22.06.:
  • Georgien – Tschechien 358.000, MA 33,5 % (12+), 43,3 % (E12-49)
  • Belgien – Rumänien 687.000, MA 31,8 % (12+), 37,1 % (E12-49)
  • 23.06.: Schweiz – Deutschland 903.000, MA 35,1 % (12+), 43,7 % (E12-49)
  • 24.06.: Kroatien – Italien 859.000, MA 36,8 % (12+), 45,2 (E12-49)
  • 25.06.:
  • Niederlande – Österreich 1.740.000, MA 67,5 % (12+), 76,1 % (E12-49)
  • Dänemark – Serbien 350.000, MA 15,5 % (12+), 18,9 % (E12-49)
  • 26.06.:
  • Slowakei – Rumänien 226.000, MA 13,4 % (12+), 12,4 % (E12-49)
  • Tschechien – Türkei 482.000, MA 19,6 % (12+), 24,6 % (E12-49)