Was Netflix, Amazon Prime & Co. vorgemacht haben, ist längst auch bei öffentlich-rechtlichen Sendern üblich – ein digitales Streamingangebot, das weit über das Livestreaming hinausgeht. Lange hatte der ORF, im Gegensatz zu Arte, ZDF oder ARD, das Nachsehen: Nur sieben Tage lang konnten Inhalte nach der Ausstrahlung auf der vor 15 Jahren eingeführten ORF-TVthek abgerufen werden. Durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im Vorjahr und einer darauffolgenden Änderung des ORF-Gesetzes sind nun viele Inhalte wie Serien und Filme seit Anfang des Jahres bis zu einem halben Jahr abrufbar, Dokumentationen und Kinderprogramme ohne zeitliche Begrenzung. Die mit der Haushaltsabgabe eingeführte neue Streamingplattform ging damals aber nur als Testversion parallel zur TVthek ins Rennen. Seit 22. Mai sind die Testversion und die ORF-TVthek Geschichte, abgelöst durch die Plattform ORF On.
Neu ist, dass ORF 1, ORF 2, ORF III und ORF SPORT + jetzt auch live und via 24-Stunden-Timeshift-Funktion auch zeitversetzt streambar sind. Ebenso neu ist auch die App für Smartphones, Tablets und SmartTVs. Bei Nutzern der rund eine Million Mal heruntergeladenen TVthek-App erfolgt die Umwandlung zur ORF-On-App von alleine, so automatische Updates auf den jeweiligen Geräten aktiviert wurden. Noch ziemlich ausbaufähig ist die Möglichkeit, Sendungen vorab der linearen Ausstrahlung zu streamen. Was auf Arte oder im ZDF längst Alltag ist, ist auf ORF On auf maximal 24 Stunden im Voraus begrenzt. Aktuell ist etwa „Willkommen Österreich“ zwei Stunden vor Sendestart auf der Plattform abrufbar.
„Online-only-Formate“, also Inhalte, die ausschließlich für die neue Streamingplattform produziert werden, sind zwar in Planung, aber noch in der Warteschleife, weil hier laut ORF eine Auftragsvorprüfung durch die Medienbehörde KommAustria nötig ist. Weiterhin ebenfalls nicht geben wird es US-Serien, Hollywood-Blockbuster oder europäische Kinofilme ohne ORF-Beteiligung. Die Publikumsbeteiligung an der Weiterentwicklung der Plattform streicht der ORF hervor, Nutzerinnen und Nutzer wurden im Rahmen der Testphase zu Feedback eingeladen. Auf Anfrage war es vor allem der ursprünglich vorgesehene Autostart der Videos, der „auf mehrfachen Wunsch des Publikums“ letztlich deaktiviert worden ist.
Eine Registrierung auf der Plattform ist nicht verpflichtend, ermöglicht es Nutzerinnen und Nutzern aber, den Jugendschutz bestimmter Produktionen, etwa vom „Tatort“, zu überspringen, aber auch eine individuelle Favoritenliste zu erstellen. Erst in Arbeit ist die Funktion, Inhalte auf jedem genutzten Endgerät weiterzuschauen. Noch recht ohne roten Faden kuratiert ist jene Sektion, die sich „Exklusiv in voller Länge“ nennt: Hier sind unkommentiert diverse Pressekonferenzen gesammelt – vom Interview mit Salman Rushdie bis hin zur Präsentation der FPÖ-Frühjahrsoffensive.