Die Finalisten des 68. Eurovision Song Contests stehen fest. Beim zweiten Halbfinale mit 16 Acts in der Malmö-Arena gab es enttäuschte Gesichter u. a. bei Albanien, Dänemark, Belgien und Malta. Ein Wiedersehen am Samstag gibt es mit:
- Österreich
- Litauen
- Niederlande
- Norwegen
- Israel
- Griechenland
- Estland
- Schweiz
- Georgien
- Armenien
(Die Aufzählung erfolgte in beliebiger Reihenfolge, das Ranking bleibt bis zur Nacht auf Sonntag geheim.)
Prognostizierter Aufstieg
Österreich schaffte es also wie von den Wettbüros prognostiziert ins Finale: Kaleen aus Ried im Innkreis kam im weißen Kunstledermantel mit roségoldenen Schnallen auf die Bühne. Schon bald stand die 29-Jährige luftiger da, nämlich im silbernen Metallic-Bodyanzug à la Barbarella, verziert mit einer Vielzahl von Swarovski-Kristallen. Über der Tänzerin schwebte eine Pyramide mit nach unten gerichteter Spitze. Sie sollte die weibliche Energie und Stärke symbolisieren. Und das bei einer sterilen Eurodance-Nummer, die durch Überwurf- und Hebefiguren in der Choreografie auffiel.
Spannung vor den drei Minuten von Israel: Buhrufe waren bei der TV-Übertragung nicht hörbar. Für den Beitrag gab es immer wieder Zwischenapplaus. Bewundernswert! Eden Golan, erst 20, behielt die Nerven. Sie wurde in Tel Aviv geboren, ihre Mutter stammt aus der Ukraine, der Vater aus Lettland und sie selbst lebte längere Zeit in Moskau. „Hurricane“ ist eine starke Ballade, in der sie über emotionale Turbulenzen singt – ein Thema, das nach textlichen Abänderungen allgemein genug gehalten schien, um nicht an den Gazakonflikt zu erinnern, der dennoch diesen ESC überschattet. Ausdruckstänzer durften bei der Inszenierung nicht fehlen.
Eröffnet wurde das zweite Halbfinale von Malta. Die ESC-Produzenten setzen als Opener gerne eine auf Hochglanz polierte Uptempo-Nummer ein. Und die hatte Malteserin Sarah Bonnici (25) mit ihrem Dance-Break „Loop“ im Gepäck – die ehemalige Buchhalterin, die singen und tanzen kann, erfüllte alle Klischees: Glitzer-Outfit, sexy Gesten, Akrobatik sowie reichlich Feuerfontänen und oberkörperfreie Tänzer. Schwarze Augenbinden oder verhüllte Köpfe beim tänzerischen Team mit halbnackten Körpern liegen beim 68. Eurovision Song Contest im Trend. Dadurch werden freilich etliche Beiträge austauschbar. Was oder wer fiel im zweiten Halbfinale besonders auf?
Auf alle Fälle der Flamingo aus der Schweiz: „Welcome to the Show“ – so begann Nemo (24), non-binäre Künstlerpersönlichkeit, seinen hochfavorisierten Beitrag „The Code“. Der exzentrische Rap-Opera-Song ist ein eingängiger Aufruf zur Selbstfindung und Authentizität. Der Künstlername ist am bekannten Disney-Clownfisch angelehnt. Die kleinen Fische werden als Männchen geboren, können sich aber im höheren Alter zu Weibchen entwickeln. Im Federn-Jäckchen und mit kurzem Rock schillerte und polarisierte Nemo zugleich. Mit einer multifunktionalen Drehscheibe als kleine eigene Bühne im Herzen der Arena sorgte Nemo für ordentlich Dynamik und Herzschlag-Momente.
Die Arena zum Ausrasten brachte ebenso Spaßvogel Joost Klein (26), der zusammen mit Otto Waalkes und Ski Aggu bereits einen Nummer-eins-Hit („Friesenjung“) im deutschsprachigen Raum landen konnte, aber nicht so flach daherkommt, wie es auf die ersten Töne scheint. In „Europapa“ wird die verrückte Reise eines Waisenkindes durch Europa erzählt, eine Hommage an Joosts Vater. Der Niederländer trug einen leuchtenden EU-blauen Anzug mit Schulterpolstern und hatte einen Kollegen im blauen Vogelkostüm mit Europa-Krawatte dabei. Warum bescheiden, wenn es anders auch geht?
Das hätte man uns gerne ersparen können: Gate wollte uns in die Welt der norwegischen Sagen entführen. Die bereits 1999 gegründete Folk-Rock-Band mit Sängerin Gunnhild Sundli trat in mittelalterlich anmutenden Düster-Kostümen auf, „Ulveham“ (Wolfshaut) wurde komplett auf Norwegisch interpretiert. Ein drehbares Felsenpodest und viel Nebel sollten für mystische Stimmung sorgen. Was für ein Pseudo-Sagen-Kitsch!
Für die Kommentatoren die Stolperfalle des zweiten Halbfinales: „(Nendest) narkootikumidest ei tea me (küll) midagi“, der Liedtitel aus Estland. Das kleine Land bot neben dem unaussprechlich langen Titel noch ein fulminantes Duell auf der Bühne. Auf der einen Seite stand das NewFolk-Duo Puuluup mit seiner Mittelalter-Leier Talharpa, auf der anderen Seite die Hip-Hopper von 5miinust. Garniert mit aberwitzigen Aerobic-Einlagen.
Auch Belgien fiel auf: Der 33-jährige Mustii aus Brüssel war der erste nominierte Künstler des ESC 2024 und ist aus der belgischen Ausgabe von „RuPaul’s Drag Race“ bekannt. Sein Song thematisiert die Kämpfe, die im Leben zu führen sind und wurde visuell durch einen Dreh-Kreis an Mikrofonständern dargestellt. Mustii sang sich mit goldenen Händen und Perlenkette regelrecht in Ekstase, während die Windmaschine auf Sturm eingestellt war.
Im Finale stehen 26 Länder, ORF 1 überträgt am 11. Mai ab 21 Uhr live aus Malmö. Zuvor meldet sich in einer Koproduktion mit der ARD und dem Schweizer Fernsehen Barbara Schöneberger aus Malmö – mit einer Warm-up-Party („Der Countdown“).
Mitarbeit: Marc Gehring, Malmö