Bewahrheiten sich heute Abend die Quoten der Wettbüros, schafft Österreichs Maria-Sophie Kreissl alias Kaleen knapp den Aufstieg ins Finale. Die zehn Länder, die die meisten Stimmen beim Televoting bekommen, erhalten einen Startplatz am 11. Mai. Kaleen wird auf Platz acht bei den Buchmachern gehandelt, im ersten Halbfinale stimmten die Vorhersagen bis auf zwei Länder – statt Polen und Australien durften sich Slowenien und Serbien freuen. Beim Ranking fürs zweite Halbfinale liegt allerdings zwischen den Plätzen zehn und elf ein deutlicher Abstand bei den Wett-Tipps: Österreich wird zu 76 Prozent ein Finaleinzug zugetraut, Dänemark (Platz elf) nur zu 36 Prozent.
Internationales Team soll Erfolg bringen
Für ihre drei Minuten vor weltweit rund 160 Millionen Zuschauern hat die 29-jährige Oberösterreicherin, aufgewachsen in Ried im Traunkreis, ein internationales Team um sich geschart. Die vier Tänzer stammen aus Großbritannien, die für die Zuschauer unsichtbare Zweitsängerin, die Kaleens Stimme unterstützt, ist eine Schwedin. In Skandinavien wurde auch der Titel „We Will Rave“ geschrieben und produziert, u. a. von Jimmy „Joker“ Thörnfeld, der schon bei einigen ESC-Beiträgen die Finger im Spiel hatte – etwa 2003 beim Siegertitel „Tattoo“ und auch heuer zudem beim schwedischen Song. „Allein die Teilnahme am Song Contest ist ein Lotto-Sechser“, sagt Kaleen, für die durch die Auswahl des ORF ein Mädchentraum wahr wurde.
Israelin wird versteckt
Gut versteckt abseits der Proben an einem geheimen Ort wurde seit ihrer Anreise die israelische Vertreterin Eden Golan. Die erst 20-Jährige mit großer Stimme hofft auf einen ungestörten Auftritt, auf „die Magie und Schönheit der Musik“, wie sie sagt. Die ursprüngliche Version mit dem Titel „October Rain“ (Oktoberregen) hatte die Europäische Rundfunkunion (EBU) als Veranstalter des Wettsingens als zu politisch und damit als Verstoß gegen die ESC-Regeln eingestuft. Ein paar Textzeilen der Power-Ballade wurden geändert, in der genehmigten Version „Hurricane“ geht es laut Eden „um ein Mädchen, das seine eigenen Probleme und Gefühle durchlebt, das hat nichts mit dem 7. Oktober zu tun“. Gegen alle Widerstände (Morddrohungen, Massen-Demonstrationen) bewahrheitet sich bei Eden Golan hoffentlich der ESC-Slogan „United by Music“.
Thunberg bei Demo gegen Israel-Teilnahme
Kurz vor dem Beginn des 2. Halbfinales versammelten in der Innenstadt von Malmö viele Tausend Menschen, um an einem antiisraelischen Marsch teilzunehmen. An der Spitze des Zuges fand sich auch „Fridays for Future“-Ikone Greta Thunberg mit Palästinensertuch. Die Demonstrierenden zogen vom Hauptplatz der heurigen ESC-Ausrichterstadt gen Süden, um gegen die Teilnahme Israels am Eurovision Song Contest zu protestieren. Sie forderten einen Ausschluss des Landes vom Bewerb wegen des Gaza-Krieges. „Insgesamt ist alles ruhig“, umschrieb ein Polizeisprecher gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters den Demonstrationszug.
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Die Favoriten des Abends
Als Favoriten ins zweite Halbfinale gehen gleich vier Länder: Der Schweiz wird der erste Sieg nach Céline Dion (1989) zugetraut. Mit der non-binären Künstlerpersönlichkeit Nemo aus Biel. Der im Genre-Mix „The Code“, wo Pop, Rap und Opernelemente Hand in Hand gehen, seine eigene Reise zur Selbstfindung verarbeitet hat. Nemo ist 24 und mischt schon seit 2015 in der Schweizer Musikszene mit. „Ein künstlerisches Manifest einer persönlichen Reise“, lobten die Medien der Eidgenossen. „Songschreiben bedeutet für mich Selbstreflexion, so ehrlich zu sich selbst wie möglich sein. Musik hat mir schon mein ganzes Leben geholfen, zu verstehen, wer ich bin“, erklärt Nemo im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.
Fix mit dem Einzug ins Finale darf auch der Niederländer Joost Klein (26) mit „Europapa“ rechnen. Er wurde bei uns letztes Jahr durch die Neuauflage eines alten Otto-Waalkes-Songs (Nummer-eins-Hit „Friesenjung“) bekannt. Die spaßige Dance-Techno-Nummer polarisiert, ist aber nicht bloß eine mehrsprachige Blödelei. Sie sei eine Ode an Europa und vor allem „eine Art Brief an meinen Vater. Er hat mir beigebracht, dass die Welt keine Grenzen kennt und nur die Menschen sich die Grenzen ausgedacht haben“.
Gute Chancen werden zudem der Griechin Marina Satti eingeräumt. In „Zari“ (“Würfel“) werden musikalisch alte und neue Folklore mit modernen Rhythmen und Sounds kombiniert. Augenzwinkernd wollten die Athenerin und ihr Team stereotype Darstellungen „griechischer“ und „fremder“ Identitäten verarbeiten, bei der Performance in der Malmö-Arena fällt einmal mehr der heurige Trend zu dynamischen Tanz-Choreografien aus. Das geht schon bei Startnummer eins (Malta) los, Kaleen bildet da keine Ausnahme.