Es ist wohl kein Zufall, dass ORF-Chef Roland Weißmann den neuen Ethikkodex des ORF zusammen mit dem Transparenzbericht über die Gehälter veröffentlichen lässt. Hängen doch die beiden Dokumente zusammen: Denn die üppigen Nebentätigkeiten, die manche ORF-Spitzenverdiener laut Transparenzliste 2023 hatten, könnten mit dem neuen Regelwerk künftig reduziert werden. Der Kodex verbietet ab sofort Nebenbeschäftigungen, die das Ansehen des ORF schädigen könnten – da reicht schon der bloße Anschein eines Interessenkonflikts. Vor allem bei redaktionellen Führungskräften wird besonders genau geprüft.
Ein Beispiel: Es ist schwierig, eine Veranstaltung einer Kammer zu moderieren und am nächsten Tag neutral über seinen Auftraggeber zu berichten. Der Ethikkodex hat 25 Seiten und fordert, dass bei allen Aktivitäten schon „der Anschein einer Unvereinbarkeit vermieden werden muss“. Eine oft eingewandte Unterscheidung, ob es sich um einen beruflichen oder privaten Account handelt, sei „nur schwer oder gar nicht möglich“. Daher muss bei allen Äußerungen das Gebot zur Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit berücksichtigt werden. Kritische Auseinandersetzungen oder persönliche Wertungen sind zwar möglich, müssen aber sachlich begründet sein. Ein demonstratives Zur-Schau-Stellen von Sympathie oder Antipathie gegenüber politischen Institutionen ist untersagt. Das gilt auch für Likes, Dislikes oder Retweets.
Auch eine Kandidatur für politische Ämter, etwa als Gemeinderat in der Heimatgemeinde, ist künftig nicht mehr erlaubt. Am aktiven Wahlkampf dürfen sich Mitarbeiter ebenso nicht beteiligen. ORF-Stiftungsratsvorsitzender Lothar Lockl sieht nun „mehr Klarheit darüber, welche Nebenbeschäftigungen und Social-Media-Aktivitäten mit dem im ORF-Gesetz verankerten Objektivitäts- und Ausgewogenheitsgebot vereinbar sind und welche nicht“. Das sei nicht nur im Interesse des ORF und seines Publikums, sondern auch im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
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Bernhard Baumgartner