Nach diesen Walzerdrehungen gibt es gleich Literarisches“. Beschwingt setzte gestern Alexandra Augustin als erste Tagesmoderatorin durch das Ö 1-Programm. Die kleine Ö 1-Reform gelang zum Auftakt so unscheinbar, dass die meisten Hörerinnen und Hörer die zurückhaltende Plauderei zwischen den Formaten kaum wahrgenommen haben dürften. Will man mit der Tagesmoderation tatsächlich eine Wirkung erzielen, dürften die Überleitungen gerne häufiger sein und eine kräftigere Handschrift erhalten.
Verbesserungsbedarf zeigte sich dort, wo es zu doppelten Ankündigungen kommt: Zuerst erfolgt die Einbegleitung durch die Tagesmoderation, danach die Sendungseinmoderation. Begründet ist die Redundanz durch die mediale Bedingtheit: Die ORF-Sendungen müssen heute nicht nur linear im Radio, sondern auch im stark wachsenden Wettbewerb des Podcast-Segments funktionieren. Letzteres war zentraler Anlass dieser Reform, mit dem Ziel, Ö 1 und sein umfangreiches Sendungsportfolio einem jüngeren Publikum schmackhaft zu machen.
Harte Kritik in offenem Brief
Nicht die auf strukturellen Vereinfachungen beruhende Programmreform ist es, die die Unterzeichner eines offenen Briefs an ORF-Generaldirektor Roland Weißmann umtreibt. Unter anderem Gerhard Ruiss (Geschäftsführer IG Autorinnen Autoren) und die zwei ehemaligen Ö 1-Chefs Alfred Treiber und Peter Klein drücken darin ihre Sorge über den „derzeitigen und zukünftigen Zustand von Ö 1“ aus. Als „Hilfeschrei gegen die Demontage des Kultursenders“ sei ihr Brief zu verstehen, der die geplante Zusammenlegung der ORF-Fachressorts in sogenannte multimediale Cluser kritisiert. Dadurch werde Ö 1 „als eigenständige und funktionierende Organisationseinheit“ zerstört. Wann die Ressorts von Radio, Fernsehen und Online zusammengelegt werden, ist noch nicht fixiert. Kürzlich endeten die Ausschreibungen der Leitungspositionen.
Der Umbau käme einer Auflösung der Identität von Ö 1 gleich, kritisieren die Unterzeichner, die großteils dem literarischen Betrieb zuzuordnen sind. Ö 1 sei wichtiger denn je, statt ihn zu schützen, werde der Sender „als organisatorische Einheit aufgelöst“. Der Führung des ORF wirft man nicht eine willentliche Beschädigung des Senders vor, vielmehr würde dieser durch Leichtfertigkeit und fehlendes Interesse gegen die Wand gefahren.
Weißmann: Keine erwähnenswerten Einsparungen
In seiner Antwort in einer von Weißmanns seltenen Meldungen auf Social Media, versucht der ORF-Chef zu beruhigen. Die Autonomie des Senders sei durch die Zusammenlegung nicht gefährdet und die Multimedialität der Ressorts werde keinen Einfluss „auf die Quantität der (wissenschaftlichen) Sendungen in Ö 1 haben“. Auch gäbe es keine erwähnenswerten Einsparungen beim Sender, die Finanzierung halte er „für nachhaltig, wenn auch nicht üppig“, führt Weißmann an und verweist auf den allgemeinen Spardruck: Zwischen 2023 und 2026 muss der ORF insgesamt 325 Millionen Euro einsparen.
Kultur folgt auf Sport und Religion
Seitens des ORF verweist man auf den Wandlungsprozess vom klassischen Broadcaster zur multimedialen Plattform. Ein Startdatum für die vollständig multimedial integrierten Fachressorts gibt es nicht: „So arbeitet die Abteilung „Religion und Ethik“ schon seit Längerem erfolgreich als mulimediale Fachabteilung, in „Sport“ und „Information“ läuft die Entwicklung der multimedialen Strukturen nach Plan, „Kultur“ und „Wissenschaft“ folgen. Oberstes Ziel ist es, den Erfolg der ORF-TV- und -Radio-Flotte und die Positionierung der einzelnen Sender auch für die Zukunft abzusichern“, heißt es auf Anfrage von der ORF-Unternehmenskommunikation.
Sparpläne 2022
Auf den Kultursender fallen rund drei bis vier Prozent des Eine-Milliarde-Euro-Budgets des ORF, in seiner Breitenwirkung als öffentlich-rechtliches Aushängeschild ist Ö 1 für den Rundfunk unersetzbar. Trotzdem wollte die ORF-Führung im Herbst 2022 ein massives Sparpaket durchsetzen: „Kunstradio“, „Jazznacht“, „Kinderuni“, „Heimspiel“, „Philosophie am Feiertag“ oder „Zeit-Ton“ sollten dem Sparstift zum Opfer fallen. Die Aufregung war groß, Ruiss kündigte damals an: „Wir lassen die Zerstörung von Ö1 nicht zu.“
Am Ende wurden die großen Einsparungen abgesagt. Einige der genannten Formate fielen mit der aktuellen Reform nun tatsächlich aus dem Programm. Bis auf die „Kinderuni“ wurden aber alle durch vergleichbare Sendungen ersetzt.