Die RTL-Show funktioniert nicht unähnlich der Zusammensetzung in einem österreichischen politischen Gremium: Berücksichtigt werden müssen die Bünde, die Bundesländer, die Interessensverbände, die Altersgruppen und (teilweise) die Geschlechterparität. Auch im „Dschungelcamp“ ist die richtige Abmischung alles, der Promifaktor ist es nicht. Nur wenn die richtigen Persönlichkeiten aufeinandertreffen oder, noch besser, aufeinander knallen, stimmt die Chemie, also die Quote.
Wer augenreibend feststellt, im neuen Ensemble von „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ tatsächlich einige Teilnehmer zu kennen, ist nicht allein. Heinz Hoenig („Das Boot“) hatte eine beachtliche Filmkarriere, Cora Schumacher machte sich als Model einen Namen, David Odonkor brachte es auf 16 Spiele für das deutsche Fußball-Nationalteam und Lucy Diakovska war einmal als „No Angels“-Sängerin eine Prominente, heute betreibt die 47-Jährige ein Viersternehotel. Für Nicht-Experten fraglos schwerer zu schubladisieren sind die teilnehmenden Digital- und Realityshow-Persönlichkeiten, von Influencer Twenty4Tim bis Sternchen Kim Virginia.
Am heutigen Freitag geht es los in Australien. 20 Jahre nach der ersten Sendung und zehn Jahre nach der bis heute erinnerlichen Larissa-Marolt-Show, die nicht nur achtmal in Folge durch den Dschungelprüfungs-Kakao gezogen wurde, sondern diesen auch genüsslich trank. Die Kärntnerin ist bis heute Role-Model dafür, wie diese Show zu spielen ist. Ungestüm und dynamisch, tollpatschig und unberechenbar, clever und mutig. Als quicklebendige Projektionsfläche fand in ihr jeder, was er suchte. So „hat jeder seine Larissa und stellt die eigene Missgunst an ihr aus“, adelte Roger Willemsen die Marolt.
Die Show aus dem australischen Dschungel ist kein Ponyhof, eher eine schräge Reptilien- und ungustiöse Kochshow. Das weiß auch Nigel Farage, der als Politiker den Austritt Großbritanniens aus der EU befeuerte und im letzten britischen „I‘m a celebrity ... Get me out of here!“ nicht nur Fischaugen mit den Zähnen auspressen musste. Am Ende reichte es für den 59-Jährigen für den dritten Platz.
Die Show ist Folklore des Trash-Fernsehens, die Moralkeule schwingt niemand mehr über der Sendung. Anders bei ihrem Start 2004, als die Landesmedienanstalten prüften, ob die Sendung gegen die Menschenwürde verstößt. Der Generaldirektor des europäischen Medieninstituts fühlte sich an Folter erinnert, der deutsche Journalistenverband wütete gegen „voyeuristische Perversion“, die „keine moralischen Grenzen kennt“.
RTL saß den Protest aus, der bald durch hymnenhafte, die gesellschaftspolitische Relevanz würdigende Artikel im Feuilleton ersetzt wurde.
„Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“. RTL, ab Freitag, 20.15 Uhr.