„Ich habe noch nie so viele Menschen im Skyroom gesehen“, zeigte sich Hubert Patterer überwältigt, als er die Bühne über den Dächern von Graz betrat. Der Skyroom ist der höchstgelegene Raum im Styria Media Center, in dem die Kleine Zeitung beheimatet ist und hierher lud der Chefredakteur zum Austausch mit Leserinnen und Lesern. Der Andrang war enorm und genauso sollte es sein, stand der 120. Geburtstag ja ganz im Zeichen des Dialogs: „Die Zeitung, die gehört euch Lesern“, stellte der Chefredakteur die Besitzverhältnisse umgehend klar – denn die Kleine Zeitung, die sei mehr als ein Produkt, die innige Beziehung zwischen Lesern und Zeitung drücke sich auch im Slogan „Meine“ aus.
Bevor die Besucher ihre Fragen stellen konnten, offenbarte Hubert Patterer im Gespräch mit Ute Baumhackl, langjährige Kultur-Chefin und heute Chefreporterin, dass auch ein Chefredakteur klein anfängt. Seit 40 Jahren ist Patterer Teil der Kleine-Redaktion, sein erster Job in der Kärntner Sportredaktion bestand darin, am Wochenende die Gasthäuser der Region abzutelefonieren. „Denn dort“, so erzählte Patterer, „waren die Schiedsrichter der Fußballspiele der unteren Ligen und nur so erfuhren wir damals, wie die Spiele ausgegangen waren.“ Über viele Stationen und Ressorts führte sein Weg schließlich im Jahr 2005 in die Chefredaktion. Was er heute aber noch allen jungen Kolleginnen und Kollegen mitgibt: „Macht Berichterstattung in der Region, das ist das pralle Leben.“
Die Digitalisierung als Chance
In seinen 40 Jahren als Medienmacher habe sich „alles geändert“, sagte Patterer: Mit dem Internet und der Digitalisierung hätten Medien heute so viel mehr Möglichkeiten, gute Geschichten zu erzählen und ihre Leserinnen und Leser zu erreichen. „Schon wenige Minuten nach dem Ende der Wahl-Duelle können unsere User lesen, was die Kleine dazu sagt“, gibt Patterer ein aktuelles Beispiel für die Möglichkeiten der digitalen Erzählwelten.
Ungeachtet der digitalen Revolution, die auch die Kleine Zeitung durchgemacht habe, distanzierte sich Patterer ganz klar von den Echokammern der sozialen Medien: „Dort geht es nicht um Dialog, sondern es werden Gesinnungskriege geführt“, sagte Patterer. Im Gegensatz dazu sehe er als zentrale Aufgabe einer Zeitung, möglichst viele Perspektiven zu zeigen.
Dass sich Journalismus auch dem kritischen Hinterfragen seiner Leser stellen muss, unterstrich Moderatorin Baumhackl, und öffnete damit das Podium für die Fragen der Leser. Als Erstes kam allerdings eine Bitte, gefolgt von einem Lob: „Bitte sorgen Sie dafür, dass wir die Print-Ausgabe der Kleinen möglichst lange behalten können“, bat ein langjähriger Abonnent, um sogleich großes Lob an seinen zuverlässigen Zusteller anzuschließen. „Die Print-Zeitung wird es weiter geben!“, versprach Patterer ohne Zögern, gestand aber auch ein, dass es immer schwieriger werde, die Zeitung zeitgerecht zuzustellen. Immerhin sind es kumuliert 32.000 Kilometer, die jede Nacht von den Zustellerinnen und Zustellern zurückgelegt werden, um die Kleine Zeitung zur Tür zu bringen.
Wie unabhängig ist eine Zeitung?
„Wie steht es eigentlich um die Unabhängigkeit der Kleinen Zeitung?“, nahm ein Leser den Chefredakteur ins Kreuzverhör und wollte wissen, welchen Einfluss Inseratenkunden auf die Berichterstattung haben. Es gebe eine „Brandmauer“ zwischen Redaktion und Anzeigenverkauf erklärte der Chefredakteur, weshalb es auch passieren könne, dass neben einem Artikel über den Klimawandel eine Anzeige für eine Kreuzfahrtreise stehen könne. „Ich erlebe keinen Druck von Inseratenkunden und das würde auch nicht funktionieren, denn Leser würden eine solche Käuflichkeit sofort durchschauen“, sagte Patterer.
Eine letzte Wortmeldung unterstrich noch einmal die enge Bindung, die zwischen der Kleinen und ihren Lesern besteht: „Ich bin seit 60 Jahren euer Abonnent“, sagte ein Leser zum Chefredakteur, „und ich hoffe, ich werde es noch eine Zeit lang bleiben.“