Stell dir vor, es ist der 1. November. Dein Tag startet um 5.30 Uhr. Frühstück für die Kinder, Jausenboxen packen. Um 6.00 Uhr bleiben dir 15 Minuten. Du nutzt die Zeit, um die Mails von gestern abzuarbeiten. 6.15 Uhr: Du weckst die Kinder, machst sie fertig – Zähneputzen, Anziehen, Kämmen, Frühstücken.
7.00 Uhr. Du musst jetzt los, wenn du es pünktlich zur Arbeit schaffen, aber vorher noch die Kinder in den Kindergarten bringen willst. Du schaffst es nicht. Die Straßen sind verstopft, dein Kind trennt sich nur schwer von dir. Du fühlst dich wie die schlechteste Mutter und blinzelst die Tränen weg.
Im Büro versuchst du, dich an den neuen Job zu gewöhnen. Die Führungsposition hast du nicht mehr, seit du Mutter bist. Du lächelst trotzdem und schaffst dein Pensum in der halben Zeit. Denn du bist eine Frau. Du kannst alles.
Team-Sitzung um 16.30? Ohne dich. Der Kindergarten schließt um 16:00 Uhr – du holst die Infos später nach. Du fragst dich, ob das reicht. Ob du genug bist. 15.00 Uhr: Ein Anruf – dein Kind ist krank und muss abgeholt werden. Kein Problem, du arbeitest später weiter und holst gleich das zweite Kind ab. 17.00 Uhr: Fiebermessen, Kochen, Telefonate, Kinder bettfertig machen.
20.00 Uhr: Du schließt die Tür zum Kinderzimmer. Beide schlafen. Du möchtest durchschnaufen, aber die Wohnung wartet. 22.00 Uhr: Die letzten Mails – es könnte ja was Wichtiges sein.
Stell dir vor, es ist der 1. November, und ab heute zählt dein Einsatz nicht mehr.
Stell dir vor, du bist eine Frau. Und ab heute arbeitest du gratis.
Bis zum 1. November (Equal Pay Day) hatten Männer bereits jenen Betrag verdient, für den Frauen noch bis Jahresende arbeiten.
Mehr aus unserer Jubiläumsausgabe
Julia Zötsch