Die Ganztagesbetreuung von Kindern ist in vielen anderen Ländern Standard. So ist es in Frankreich oder Norwegen üblich, bereits kleine Kinder ganztägig in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen unterzubringen. In Österreich sieht die Situation deutlich anders aus. Lediglich 52 Prozent der Kinder unter sechs Jahren besuchen eine ganztägige Kinderbildungseinrichtung, die mit dem Vollzeitjob ihrer Eltern vereinbar ist. Eine Betreuung aller Kinder in einer Ganztageseinrichtung wäre allein durch das zu geringes Angebot zum aktuellen Zeitpunkt keinesfalls möglich.
Das bestätigt auch die Forscherin für Elementarpädagogik der Uni Graz, Catherine Walter-Laager. Vor allem bei den Kleinsten gibt es großen Aufholbedarf. Das Argument nach einem fehlenden Andrang, das vor allem in ländlichen Regionen häufig fällt, lässt sie nicht gelten. „Wenn man nachfragt, gibt es häufig kein Ganztagesangebot, dann kann es auch keinen Andrang darauf geben“, sagt sie. Denn viele Eltern würden sich durchaus wünschen, Arbeit und Kinder mit einer Ganztagesbetreuung besser unter einen Hut bringen zu können. Und damit sind sie nicht allein, denn gerade in Zeiten eines ausgeprägten Fachkräftemangels will das auch die Wirtschaft.
Ausbau braucht Zeit und Geld
Damit steht fest: Es braucht eine flächendeckende ganztägige Kinderbetreuung. Klar ist allerdings auch, dass das nicht von heute auf morgen funktioniert. Denn für Walter-Laager ist vor allem die Qualität der Betreuung entscheidend. Konkret: Es braucht genug ausgebildetes Personal, kleinere Gruppengrößen und geeignete Räumlichkeiten. „Kinder haben einen großen Bewegungsdrang, da kann man nicht aus Spargründen einfach die Räumlichkeiten kleiner machen und sagen, hier ist eine neue Gruppe“, sagt Walter-Laager, die vor allem das Geld aktuell als größten Hemmschuh sieht. Denn sowohl der räumliche Ausbau als auch die Ausbildung von Fachpersonal ist extrem kostenintensiv.
Dass sich das Investment aber eindeutig rechnet, zeigen laut Walter-Laager Studien aus anderen Ländern, die bereits in den Bildungsbereich der jüngsten Kinder investiert haben. „Es zeigt sich sowohl kurz- als auch langfristig ein Payback. Kurzfristig erhält der Staat mehr Steuern und Arbeitskraft, da beide Eltern weiterarbeiten und langfristig ermöglichen qualitative Einrichtungen bessere Lebenschancen für alle Kinder“, sagt sie.
4,5 Milliarden bis 2030
Das Familienministerium beruft sich derweil auf die Verdoppelung der Besuchsquote bei den unter 3-Jährigen, seit Beginn der Bundesbeteiligung 2008. Diese stieg von 14-Prozent auf 34,9 Prozent. Zudem sei die Besuchsquote bei den 3- bis 6-Jährigen von 86, 6 auf 94,2 Prozent gestiegen. Ein weiterer Ausbau soll durch die Kinderbetreuungsoffensive gelingen. 4,5 Milliarden Euro stehen hier bis 2030 zur Verfügung und sollen einen flächendeckenden Ausbau in Österreich in Bezug auf Öffnungszeiten und Ganztages- sowie Krippenplätze, sowie eine Qualitätssteigerung bieten.