Der Pflegenotstand hat sich in Österreich mittlerweile trotz zahlreicher Maßnahmen zu einem echten Dauerbrenner entwickelt. Gesperrte Betten, lange Wartelisten und überlastete Pflegekräfte sorgen kaum noch für Staunen. Der Grund: Die Gesellschaft wird immer älter, die zu pflegenden Personen immer mehr. Hinzu kommt eine chronische Überlastung des Personals und damit verbundene frühe Berufsausstiege. Und die Situation wird in Zukunft nicht weniger herausfordernd.
7000 zusätzliche Pflegekräfte jährlich
Das zeigen auch die aktuellen Zahlen des Bundesministeriums aus dem März 2023. So werden bis 2030 etwa 51.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt. Spinnt man die Prognose bis ins Jahr 2050 weiter, steht fest: Es braucht bis dahin jedes Jahr 7000 zusätzliche Pflege- und Betreuungspersonen. Eine Zahl, die trotz des Ausbaus der Ausbildungsplätze nur schwer stemmbar sein wird.
Im Zuge des großen Bedarfs kommt auch immer wieder Kritik an der Akademisierung der Ausbildung zur DGKP auf. Für Pflegewissenschaftlerin Daniela Schober, die an der MedUni Graz tätig ist, wäre eine Umkehr allerdings ein entscheidender Schritt in die falsche Richtung. „Die akademische Ausbildung bringt mehr Kompetenzen und Tätigkeitsfelder mit sich – und somit auch die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu arbeiten“, sagt sie. Ein großes Manko sieht sie allerdings in der Anerkennung von zusätzlichen Ausbildungen.
Denn die zusätzlichen Verantwortungsbereiche, die Pflegefachkräfte dadurch übernehmen, werden hierzulande noch zu wenig entlohnt, sofern sie überhaupt in der Praxis anerkannt werden. Auch hier sieht Schober viel liegengelassenes Potenzial. Obwohl die zusätzlichen Kompetenzen gesetzlich festgeschrieben sind, kommen sie vielerorts noch nicht in der Praxis an. Ein Stichwort ist hier auch die strenge Hierarchie, die im Gesundheitsbereich häufig nach wie vor herrscht.
Langfristige Perspektiven fehlen
Problematisch ist zudem, dass viele ausgebildete Pflegefachkräfte aufgrund der großen Belastung nicht besonders lange im Beruf verweilen. Aus einer Auswertung des Ministeriums geht demnach hervor, dass 65 Prozent aller befragten Pflegefachkräfte es für unwahrscheinlich halten, bis zur Pension in dem Berufsfeld zu bleiben. 15 Prozent haben sogar bereits konkrete Absichten den Beruf zu wechseln.
Aus dem Personalmangel leitet Schober weiters ab, dass zukünftig Pflegeeinrichtungen nur mehr Personen mit besonders hohen Pflegestufen aufnehmen können. Alles andere würde die Kapazitätsgrenze sprengen. Daher werde sich die Pflege noch stärker in ein häusliches Umfeld verlagern. Besonders wichtig sei dabei allerdings eine professionelle Unterstützung, um pflegende Angehörige zu entlasten und eine Überforderung zu vermeiden. Um hier möglichst früh Abhilfe zu schaffen, sieht sie einen Schlüssel für die angesteuerte Misere darin, Präventionsarbeit auszubauen, damit möglichst viele Menschen möglichst lange gesund und eigenständig leben können.