1904 erschien die erste Ausgabe der Kleinen Zeitung. Das Jahrhundert war jung und taumelte noch nicht. Das Land reichte bis ans Meer, und die dreitausendköpfige Leserfamilie von Graz bis nach Triest. Zwei Heller kostete ein Exemplar, schon damals war es ein Blatt, das sich „vorzüglich zum Inserieren eignet“, wie die erste Titelseite verriet. Die Welt war schwarz-weiß und analog. In ihrem Werden überdauerte die Zeitung Währungen, autoritäre Systeme und verheerende Kriege. Hinzu kamen Umwälzungen, die die Informationsvermittlung revolutionierten: das erste Farbbild, der Abschied vom Bleisatz, die Regionalisierung, vor allem aber: die Digitalisierung – eine Zäsur, vergleichbar in ihrer Wucht mit der Einführung des Buchdrucks. Nichts blieb, wie es war.

Die digitale Revolution stellte Geschäftsmodelle auf den Kopf, alte Gewissheiten und Gewohnheiten. Sie hob die Grenzen von Zeit und Raum auf und spannte in der Art, wie Menschen kommunizieren und sich informieren, neue Möglichkeitsräume auf. Der Bürgerjournalismus kam auf, jeder konnte plötzlich sein eigener Verleger sein. Die sozialen Medien erschufen einen eigenen Kosmos. Er spiegelt das Potenzial der menschlichen Natur. Das Sagbare und Unsägliche, die Offenheit und das Schamlose, das Wahre und Unwahre, die Vernetzung und die Verleumdung: Auch hier schwinden die Grenzen, nicht zuletzt, weil sich die Eigentümer für die Trennlinien nicht zuständig fühlen.

Die Kleine Zeitung stellte sich den Umbrüchen mit Offenheit und Erneuerungskraft. Das war ihr Anspruch. Sie war führend beim Wandel vom klassischen Nachrichtenmedium zum täglichen Magazin und Erklärmedium sowie bei der multimedialen Vertiefung ihrer Kernkompetenz, der Regionalität. Wir verstanden diesen Markenkern stets als etwas Durchlässiges und nach vorne Gerichtetes. Wir wollen Heimat für Leser und Leserinnen sein, aber kein Heimatblatt. Wir wollen im Dialog mit den Bürgern mithelfen, die Regionen in die Zukunft zu denken, aber wir beschwören keine falsche Idylle und auch keine Weltflucht. Liezen und Lienz gehören als Standorte ebenso zur Geografie der Kleinen Zeitung wie die Redaktionen in Wien und Brüssel.

Die Zeitung ist mehr als ein Produkt

Die leidenschaftliche Bereitschaft sich zu verändern ging einher mit dem festen Willen, das, was die Zeitung besonders macht, ihre Essenz, ihr geistiges Profil wie einen Gral zu bewahren. Das gilt für die vitale gedruckte Zeitung ebenso wie für die digitale Produktpalette, unsere Newsletter, Podcasts, Videos oder Apps. In diesem Punkt wollen wir in Zeiten der großen Unordnung ein Anker der Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit bleiben. Da sind wir den 190.000 Print-und 70.000 Digital-Abonnenten im Wort. Ohne sie wären wir nicht geworden, wer wir sind.

Diese Zeitung ist mehr als ein Produkt, ihre Leser sind mehr als nur Kunden. Die beiden haben etwas miteinander, nach all den Jahrzehnten. Das spürt man im Zuspruch wie in der Kritik. Wir brauchen und ertragen beides. Deshalb ist die Geschichte der Kleinen Zeitung auch eine Geschichte der Enteignung. Diese Zeitung gehört nicht mehr uns, sondern den Leserinnen und Lesern. Sie ist Teil ihrer Identität und der des Landes. Daher ist der Slogan „Meine Kleine“ nicht Werbung, sondern Wirklichkeit. Diese Wirklichkeit ist immer noch ein Glücksfall und immer noch ein Auftrag.