Das Weltmuseum ist für Jonathan Fine nur eine Zwischenstation. Der US-Amerikaner, der das Haus seit 1. Juli 2021 leitet, wechselt nämlich mit 2025 eine hierarchische Etage höher und tritt die Nachfolge von Sabine Haag als Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums (KHM) an. So vielfältig wie die Sammlungen und Abteilungen des Museumsverbands, gestaltet sich auch Fines Lebenslauf, der ihn von New York über Berlin bis nach Österreich geführt hat.

Im Mai 1969 in New York geboren, promovierte Jonathan David MacLachlan Fine an der Princeton University am Department of Art and Archaeology. Seinen Ph.D. erwarb er 2020 mit der Arbeit "The Throne from the Grassfields: History, Gifts, and Authenticity in the Bamum Kingdom, 1880-1929". Bereits zuvor hatte Fine mit Studien der Geschichts- und Literaturwissenschaft in Chicago bzw. Cambridge B.A.s erworben und an der Yale University das Studium der Rechtswissenschaften absolviert. Es folgten Jahre, in denen er in den USA als Rechtsanwalt für Menschenrechte, internationale Handelsstreitigkeiten und Verfassungsrecht tätigt war, bevor er sich der Kunst- und Kulturwissenschaft zuwandte.

Sabine Haag
Sabine Haag © (c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)

Am Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin arbeitete Fine ab 2014 als Kurator für die Sammlungen aus Westafrika, Kamerun, Gabun und Namibia, im Jänner 2020 stieg er zum Museumsleiter auf. In jener Zeit kuratierte er Ausstellungen zu Kamerun und dem Königreich Benin, was ihn letztlich auch einer größeren Öffentlichkeit bekannt machte. Denn die Frage hinsichtlich des Umgangs mit den Benin-Bronzen, die sich etwa in Museumsbeständen in Berlin und Wien finden, wurde zuletzt immer intensiver diskutiert, wobei Fine mehrfach als Experte zu Wort kam. Im Vorjahr entschied sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz schließlich dazu, das Eigentum ihres riesigen Bestandes an Benin-Bronzen komplett an Nigeria zu übertragen.

Zu diesem Zeitpunkt war Fine längst in Wien gelandet, wurde er im Frühjahr 2021 doch als neuer Leiter des zum KHM-Verband gehörenden Weltmuseums präsentiert. Auch hier landete der Umgang mit Kunstobjekten aus kolonialem Kontext auf seiner Aufgabenliste, steht er doch einem von Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) eingesetzten Gremium vor, das erst vor wenigen Tagen seine Empfehlungen in dieser Sache präsentierte. Auf dieser Basis will die Regierung nun einen Gesetzesentwurf erarbeiten, mit dem künftige Ansuchen und allfällige Rückgaben einen geordneten Rahmen erhalten.

In seiner Zeit an der Spitze des Weltmuseums habe er das Haus "als Ort profiliert, der sich mit der Auseinandersetzung zwischen zeitgenössischen Themen und den historischen Sammlungen beschäftigt", hieß es am Donnerstag in einer Aussendung des Kulturministeriums. Unter seiner Leitung wurden Ausstellungen zu Afrofuturismus, dem Maori-Künstler George Nuku oder dem traditionellen koreanischen Malereigenre "Chaekgeori" umgesetzt. Zudem habe er die Zusammenarbeit und das Engagement des Museums mit zeitgenössischen Künstlern und Communitys in Österreich und international gefördert.

Seine Berufung zum KHM-Chef, für die er sich gegen 19 Mitbewerberinnen und Mitbewerber durchsetzte, erfülle ihn mit "Dank und Demut", hielt Fine in einem ersten Statement fest. Die große Stärke des Verbandes liege in den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Museen, Sammlungen und Abteilungen. Für sie werde er "immer ein offenes Ohr für Ihre Anliegen" haben. Inhaltlich will Fine ihm KHM seinen interdisziplinären Ansatz fortsetzen und nicht nur "Brücken von der Antike bis zur Gegenwart" suchen, sondern ganz grundsätzlich auf Basis der Bestände der Häuser "Weltgeschichte erzählen und aktuelle Themen ansprechen".