Es war eine Umverteilung der etwas anderen Art, die beim gestrigen Auktionsabend bei Sotheby's in London stattgefunden hat: Dutzende hochkarätige Kunstwerke - von Alberto Giacometti, Lucian Freud, Cy Twombly über René Magritte bis hin zu Jenny Saville wechselten ihre Besitzer. Das Highlight des Abends war jedoch unbestritten die Versteigerung eines der letzten Bilder, die Gustav Klimt vor seinem Tod angefertigt hat: "Dame mit Fächer". Gleich zwei Rekorde wurden bei der Versteigerung gebrochen: Bei 74 Millionen Pfund ging der Hammer, das macht mit Aufschlägen 85,305 Millionen Pfund (rund 99,33 Millionen Euro).  Somit ist es das Kunstwerk, das bis dato den höchsten Preis für ein in Europa versteigertes Kunstwerk erzielt hat. "Dame mit Fächer" löste damit Giacomettis Plastik "Walking Man I" ab, die 2010 ebenso bei Sotheby's für 65 Millionen Pfund inklusive Aufschlägen den Besitzer wechselte. Das ist übrigens nicht der einzige Rekord, der gestern Abend aufgestellt wurde: Nach aktuellem Umrechnungskurs liegt "Dame mit Fächer" bei 108,4 Millionen US-Dollar und somit vor dem Bild "Buchenwald" (Birkenwald), das im letzten Herbst bei Christie's in New York versteigert wurde.

Ein Frauenporträt, wie es für Klimt typisch ist

Was könnte man diese Geschichte ausschmücken und in allen Farben schillernd erzählen! Von einer Leinwand auf die nächste, vom Gemälde auf die Kinoleinwand – aufgelegt. Am 6. Februar 1918 fotografiert Moritz Nähr, Fotograf und Künstlerfreund von Gustav Klimt, das, woran der Jugendstilpionier in dessen Werkstatt bis zu seinem Tod gearbeitet hat. Zwei Bilder sind zu sehen: "Die Braut" und "Dame mit Fächer". Letzteres zeigt ein Frauenporträt, wie es für Klimt typisch ist: selbstbewusst in der Ausstrahlung, bisweilen in sich versunken, umrahmt von einer Überfülle an Ornamenten. Wobei dieses Spätwerk eindrücklich von Klimts Vorliebe für japanische Kunst und Mode erzählt: Ein Goldfasan ist ebenso zu sehen wie Lotosblumen. Nichts erzählt uns das Bild jedoch über die Frau, die hier abgebildet ist. Im Vergleich zu seinen berühmten Auftragswerken, die Damen der Gesellschaft und Kunstmäzeninnen wie Adele Bloch-Bauer oder Emilie Flöge zeigen, ist sie seit mehr als 100 Jahren nur die "Dame mit Fächer".

In Expertenkreisen geht man davon aus, dass sie ein professionelles Model gewesen sein dürfte. Für Klimt war sie die Verkörperung der "schönen Wienerin", die er in vielen Variationen gemalt hat. Gesehen hat sie die Öffentlichkeit jedoch nur selten: 1920 in Wien, viele Jahrzehnte war es im Besitz der Industriellenfamilie Böhler, danach in unterschiedlichstem Privatbesitz und kurz Teil der Sammlung von Rudolf Leopold. 1981 wurde es in Tokio, 1992 in Krakau gezeigt. Zwei Jahre später wurde es in New York versteigert. 2021 war es nach über 100 Jahren wieder in Wien zu sehen. Am Dienstag wurde es in London bei Sotheby's zum Kauf angeboten und wurde, wie vorausgesagt, zum teuersten je in Europa versteigerten Kunstwerk.

Museen können sich das nicht leisten, Großindustrielle, Oligarchen und Scheichs für ihre Privatsammlung schon. Die "Dame mit Fächer" wurde von einem Sammler in Hongkong ersteigert und wird vermutlich wohl neuerlich aus der Öffentlichkeit verschwinden.