Man wollte, dass sie sich gleich heimisch fühle, erklärte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler in Anspielung und mit Blick auf die verregnete Stadt von der Libelle hoch oben im Museumsquartier. Denn die britische Kunsthistorikerin und Kuratorin Michelle Cotton übernimmt ab Sommer 2024 die Leitung der Kunsthalle Wien und löst damit das Zagreber Kollektiv WHW ab, das sich nicht erneut bewerben wollte, nachdem ihm signalisiert wurde, dass es einer Neuorientierung bedürfe und sie nicht verlängert werden. Für Kaup-Hasler ist es der Abschluss eines "mitunter nicht leichten, aber wichtigen Prozesses". Cotton ist derzeit Programmleiterin am Mudam in Luxemburg.
"Guten Morgen Wien, ich bin die Neue", sagte die 1977 in Preston in Nordwestengland Geborene. Es sei ein Privileg, eine Institution in einer Stadt zu leiten, die "eine Säule der zeitgenössischen Kultur in Wien ist", sagte Cotten. Zu ihrer Biografie: Sie studierte Anglistik und Literatur in London, absolvierte ein Postgraduate-Studium der Kunstgeschichte am Courtauld Institute of Arts. Als Kuratorin war sie in der Norwich Gallery, als Programmverantwortliche in S1 Artspace in Sheffield und Cubitt in London tätig. Danach war sie Chefkuratorin von 2010 bis 2015 am Zentrum für zeitgenössische visuelle Kunst Firstsite in Colchester, später Direktorin des Bonner Kunstvereins. Bis Ende Mai 2024 ist sie in Luxemburg engagiert. Wann ihr erstes Programm in Wien genau aufschlagen wird, muss erst ausdiskutiert werden.
Für neues Publikum öffnen
Mit ihrem bisherigen Wirken habe sie "Weitblick und Spürsinn" bewiesen – sowohl für "virulente gesellschaftspolitische Themen" als auch für Künstlerinnen und Künstler, die unsere Zeit "im Spiegel der Kunst reflektieren". Die Empfehlung der neunköpfigen Jury sei "so klar gewesen", dass Kaup-Hasler ihr unbedingt folgen wollte. Unter anderem hieß es, dass "ihre Visionen, die zukünftige Bespielung der beiden Standorte (Anm. Karlsplatz und Museumsquartier), ihr Zugang zu Kooperationen, zum Team des Hauses sowie die Vermittlung" die Jury überzeugten.
Michelle Cotton sieht die Herausforderung darin, "die Kunsthalle für ein neues Publikum zu öffnen und dafür Sorge zu tragen, dass sie ein lebendiger Ort mit engagierter Community ist". Als Bild vor Augen hätte sie, erzählte sie, stets ihr 17-jähriges Ich, das mit Kunst in der öffentlichen Bibliothek in Kontakt kam. Seitdem, sagte sie, treibe sie die Frage um, wie die Kunst neues Publikum generiere.
Im zweiten Anlauf der Ausschreibung hatte es 37 Bewerbungen gegeben, nachdem die 20 Einreichungen aus der ersten Runde "nicht den Kriterien" entsprochen hatten. Darunter waren zehn nationale und 27 internationale Bewerbungen, vier stammten von Zweierteams. Der Frauenanteil bei den Einzelbewerbungen lag bei 45 Prozent.