Auch am Tag, nachdem der "Falter" publik gemacht hat, dass André Heller einen Rahmen von Jean-Michel Basquiat gefälscht hat, geht die Diskussion über die Causa weiter. "Es wäre ein Scherz gewesen, wenn Heller es bis zur Bezahlung hätte kommen lassen und sich dann als Urheber zu erkennen gegeben hätte", kommentiert der Kunstexperte und Auktionator Otto Hans Ressler gegenüber der APA. Nachdem aber Geld geflossen sei, sehe er persönlich die Sache jedoch anders.
Er sei allerdings kein Anwalt, um dies rechtlich zu beurteilen, unterstreicht Ressler. Fest stehe für ihn jedenfalls: "Der Schaden für den Kunstmarkt ist angerichtet und irreversibel." Fälschungen seien "ein Riesenproblem für den Kunstmarkt, vergleichbar mit der Korruption in der Politik. Das untergräbt das Vertrauen und verleidet die Freude an der Kunst". Als Teil des Problems empfindet er den Umstand, "dass die Gerichte völlig unangemessen mit diesen Fällen umgehen, obwohl es oft um hohe Summen geht". Verfahren in Fälschungsfällen würden regelmäßig eingestellt. Über den Basquiat-Experten Dieter Buchhart, den Heller mit seiner Geschichte überzeugt habe, könne man jedenfalls nicht die Nase rümpfen: "Jeder von uns kann sich irren. Manchmal sind Fälschungen so gut, dass sogar die Künstler selbst darauf hereinfallen."
Buchhart unterstreicht unterdessen in einem Statement: "Im Zuge eines am 1. Juni 2016 mit Herrn André Heller geführten Interviews, gab Herr Heller an, dass der Künstler Jean-Michel Basquiat einen Rahmen mit kleinen Zeichnungsfragmenten Basquiats selbst angefertigt hat. Ich habe den Rahmen weder authentifiziert noch habe ich jemals behauptet, dies getan zu haben."
Patricia Pálffy, im Auktionshaus Dorotheum die zuständige Expertin für die internationale Moderne und zeitgenössische Kunst, verweist allgemein auf die Herausforderung der Zertifizierung bei Jean-Michel Basquiat. "Der Faktor der Oral History ist selbstredend sehr wichtig. Aber zentral ist, dass man danach verifizieren kann, was gesagt wurde", betonte die Kunsthistorikerin. Im konkreten Falle von Basquiat sei das Problem, dass es mittlerweile keine zentrale Zertifizierungsstelle mehr gebe. So war das Authentification Committee of Jean-Michel Basquiat, in dem auch der Basquiat-Vater Gérard vertreten war, nur bis 2012 tätig. Experten müssen seither die Provenienzforschung ohne diese Anlaufstelle betreiben.
Tatbestand des Betrugs steht im Raum
Eine rechtliche Einschätzung zur aktuellen Causa gab der APA der in Linz tätige Rechtsanwalt Oliver Plöckinger, der über "Raubkopie und Kunstfälschung" habilitiert hat. Habe man ein Werk selbst hergestellt und unter dem Deckmäntelchen, es stamme von einem anderen Künstler, verkauft, so könne der Tatbestand des Betrugs erfüllt sein, so Plöckinger grundsätzlich. Notwendig für Betrug sei eine Täuschung über Tatsachen, etwa die Herkunft – wenn man etwa behaupte, das selbst gemachte Werk sei ein Basquiat. Auf der Gegenseite müsse ein Irrtum vorliegen, etwa einen Basquiat zu kaufen und einen Heller zu erhalten, und ein Vermögensschaden entstehen. Außerdem brauche es einen Bereicherungsvorsatz. "Es kann reichen, dass man den Käufer täuscht", sagte Plöckinger.
Da Heller den Rahmen zurückgekauft habe, könnte allerdings der Strafaufhebungsgrund "Tätige Reue" erfüllt sein. Auch hier gibt es Voraussetzungen: eine vollständige Schadenswiedergutmachung, die freiwillig und rechtzeitig passieren muss - nämlich bevor eine Strafverfolgungsbehörde von dem Ereignis Kenntnis erlangt hat. Dann würde die eingetretene Strafbarkeit aufgehoben werden, es könne zu keiner Bestrafung mehr kommen.
Bei der Staatsanwaltschaft Wien ist aktuell kein Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem vermeintlich von Starkünstler Basquiat, in Wirklichkeit aber von Heller geschaffenen Bilderrahmen anhängig. Das sagte StA-Sprecherin Nina Bussek am Donnerstag auf APA-Anfrage. Sollte wegen des "kindischen Streichs", wie Universalkünstler Heller den Ver- und späteren Rückkauf laut der Wiener Wochenzeitung "Falter" bezeichnet, noch Anzeige erstattet werden, wird diese wie üblich von einer Staatsanwältin bzw. einem Staatsanwalt auf einen etwaigen Anfangsverdacht hin geprüft werden. Im Bundeskriminalamt verweist man auf APA Anfrage darauf, dass man etwaige Ermittlungen erst dann aufnehme, sollte die Staatsanwaltschaft tätig werden.
Die Enthüllungen
Der "Falter" hatte am Mittwoch enthüllt, dass 2017 ein vermeintlich von Basquiat 1987 kreierter Rahmen gemeinsam mit einem "Untitled" bezeichneten Porträt des Künstlers auf der New Yorker Kunstmesse Tefaf für einen Millionenbetrag angeboten wurde. Während die Echtheit des Gemäldes unbestritten ist, stammte der Rahmen jedoch von André Heller – was dieser im Gespräch mit dem Experten Buchhart anders darstellte.
Letztlich sei es darum gegangen, Buchhart zu täuschen, gestand Heller zu. "Buchhart erweckte den Eindruck, als wäre er der beste Basquiat-Kenner auf dem Planeten. Nachdem er mich und alle anderen niedergeredet hatte mit dem, was er über Basquiat weiß, kam der Tag, an dem ich ihn testen wollte", so Heller im "Falter": "Retrospektiv betrachtet, ist das Ganze erstens ein kindischer Streich. Zweitens ist es naturgemäß eine Angeberei."
Ein Käufer in New York fand sich damals nicht. "Ich hätte ihn auch nicht verkauft", behauptet Heller im "Falter"-Interview. Dennoch wechselte die Basquiat-Heller-Kombo alsbald den Besitzer. So erwarb der Wiener Künstlermanager Amir Shariat für einen Kunden zunächst die Zeichnung, während der Rahmen an Heller zurückging – bis der Kunde 2018 dann doch auch den gefälschten Rahmen kaufte, laut "Falter" für 800.000 Euro.
Heller schrieb in den damaligen Kaufvertrag allerdings: "Ein Echtheitszertifikat ist nicht vorhanden." Während der Anwalt von Heller betont, dass das Werk lediglich als Rahmen, auf dem sich Basquiat-Zeichnungen befinden, verkauft worden sei, meint Zwischenhändler Shariat: "Der Rahmen war von Basquiat. Das hat der Heller so gesagt." Dem widersprach Heller infolge gegenüber dem "Kurier": "Ich habe gesagt, das ist ein Rahmen mit eingearbeiteten Basquiat-Zeichnungen, und als solchen habe ich ihn auch weitergegeben." Überhaupt weise er "weite Teile des 'Falter'-Artikels als unwahr entschieden zurück".
In jedem Falle hat Heller den Rahmen mittlerweile zurückgekauft, wie er dem "Kurier" bestätigte, "weil ich vermeiden wollte, dass mein Ruf durch zur Diskussion gestellte Behauptungen geschädigt wird". Im "Falter" hatte er beschieden: "Ich bin ein vom Glück gesegneter Mensch und bringe mich doch nicht durch einen Fälschungsvorwurf in Gefahr."