Ihr Schrei aus dem Nebenraum ist gellend und trifft einen bis ins Mark. Das verstärkt sich enorm, wenn man gerade umgeben ist von farblich schreienden „Der Schrei“-Siebdrucken von Andy Warhol. Anders als das Original, „brennt“ nicht der Himmel, sondern die verzweifelte Figur selbst, fast so, als würde sie innerlich in Flammen stehen. Eine vom Innersten nach außen diffundierende Verzweiflung. Nichts anderes spielt sich im Nebenraum ab, im wahrsten Sinne des Wortes: „Hommage an Edvard Munch und alle meine toten Kinder“ (1998) heißt die Videoarbeit von Tracey Emin, die sie zusammengekauert auf jener Brücke am Oslofjord in Norwegen zeigt, auf der Edvard Munch (1863–1944) seine berühmte Figur im Bild „Der Schrei“ zeigt. Emin liegt zusammengekauert auf dem Boden und schreit. Ist es ein Akt der Befreiung oder nur ein kurzes akustisches Innehalten im Schmerz?

Der Schmerz und immer wieder der Schmerz, er ist der rote Faden, den Emin und den Norweger verbindet. „Munch ist für Tracey Emin ein Role Model für ihr eigenes Leben“, erzählt Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder von einem Treffen mit der Künstlerin, die somit schon vor Jahren einen der Ankerpunkte der Ausstellung „Edvard Munch. Im Dialog“ gesetzt hat. Damit ist sie in guter Gesellschaft, wie die beiden Kuratoren Dieter Buchhart und Antonia Hoerschelmann erzählen: Hunderte Künstlerinnen und Künstler seien es am Anfang gewesen, die man in den Dialog mit Munch hätte stellen können. Nach und nach wurde die Liste verdichtet, letztlich blieben sieben Künstlerinnen und Künstler übrig, die in den Dialog mit Edvard Munch treten: Andy Warhol, Jasper Johns, Georg Baselitz, Miriam Cahn, Peter Doig, Marlene Dumas und Tracey Emin.