Laborare (lat.): arbeiten. Ja, es gibt immer was zu tun, und das wahrlich nicht nur beim Hornbach...
Laborare (lat.): sich abmühen. Ja, nachdenken und vordenken kann ziemlich anstrengend sein, ist letztendlich aber der Mühe immer wert...
Laborare (lat.):leiden. Ja, aber leiden steckt schließlich auch in Leidenschaft...
Das esc medien kunst labor in Graz ist all das: ein Arbeitsplatz, ein Denkplatz, ein Platz für Passionen.
„Ach, die Welt ist so geräumig, und der Kopf ist so beschränkt!“, wusste schon Wilhelm Busch. Und ganz wilhelmbuschig verlangt das esc seit der Gründung vor 28 Jahren mit seinen Programmen und Projekten sich selbst und anderen für die Welterkundung mittels Kunst immer wieder ab: Ohren, Augen, Kopf, Schranken auf!
Laboratorien sind Versuchsanstalten. Also Orte des Gelingens und Scheiterns. Trial and Error. Wo nie die Probe aufs Exempel gemacht wird, gibt es weder Erfolg noch Niederlage. Nur Leere, Stille. Solcher Stillstand war im esc noch nie, seit Ilse Weber und Reni Hofmüller (und vormals auch Eva Ursprung) ihre interdisziplinären Denkräume zwischen Kunst, Wissenschaft und Technologie aufspannten – zuerst in der Plüddemanngasse, dann in der Jakoministraße, seit 2013 in der Bürgergasse 5. Dabei verstanden sie sich seit jeher nie als Galeristinnen, sondern als Produzentinnen, weil ihnen die kreativen Prozesse ebenso wichtig sind wie deren Ergebnisse. Mit 1400 Künstlerinnen und Künstlern hat man in den bisherigen Programmjahren zusammengearbeitet, 200 Eigenproduktionen und 180 Koproduktionen realisiert.
Ilse Weber geht es bei den Medienkunstprojekten im esc „um Kunst in ästhetischer, sinnlicher Wahrnehmung, darum, welche Fragen wir damit aufwerfen können und welche Diskurse daraus entstehen“. Solche Kunst müsse zweckfrei sein und brauche Freiräume für Experimente, Reflexionen, für nachhaltige Entwicklungen.
Heute brennende Themen wurden vom esc, das sich als Kulturinitiative und Kunstverein zugleich versteht, oft schon lange vorausgedacht: Gentechnik, Urbanologie, Neue Medien, Gender Diversity, Prothetik, Weltraummüll, künstliche Intelligenz, die Digitalisierung mit all ihren Tiefen und Untiefen ... Im Jahresprogramm 2020 befasste man sich unter dem Motto „You are a cyborg – aren’t you?“ verstärkt mit Robotik. Viel Theorie wird in diese Forschungsfelder investiert, aber letztlich geht es laut Weber immer um die Praxis: „Was haben all diese technologischen Entwicklungen mit unserem Alltag und unseren gesellschaftlichen Konzepten zu tun?“.
Wie die ewig treue Partnerschaft mit ihr und Hofmüller laufe? „Ich bin eher die Strukturierte, Strikte, Reni – weil selber Künstlerin – die Kreativ-Chaotische mit einem großen Netzwerk. Ich sage immer so: Wir sind so unterschiedlich, dass wir einander bedingen.“ Bedingungslos bleibt nur beider Streben nach Qualität, Tiefgang und Feuer in ihrem Tun.
Das hat sich natürlich auch schon lang bis ins Kulturministerium herumgesprochen, das dem esc nun einen der neun Österreichischen Kunstpreise – in der Sparte Kulturinitiativen – verliehen hat. Dieser mit 15.000 Euro dotierte Würdigungspreis wird an etablierte Künstlerinnen und Künstlern für ihr umfangreiches, international anerkanntes Gesamtwerk vergeben. Balsam für Weber und Hofmüller und zugleich Hoffnung, dass auch andere Fördergeber ihre hoch engagierte Arbeit künftig entsprechend(er) würdigen.
„Es bleibt zu wünschen, dass die Kunst- und Theorie-Maschine des esc auch weiterhin weit über die Grazer Grenze hinaus wirkt, sich renitent gegen den Mainstream stellt und sorgfältig an spannenden Netzwerken webt“, schreibt Thomas Philipp in der Jurybegründung für den Kunstpreis, versteckt die zwei begnadeten Netzwerkerinnen als Suchrätsel in diesem Satz und beendet seine Laudatio mit den Worten „:(){ :|:& };:“
Dem können wir uns nur vollinhaltlich anschließen.
Michael Tschida