Nach all den Jahren des Postkolonialismus, der Dezentralisierung und des Europa-Abschaffens im internationalen Kunstbetrieb widmet sich die allererste Schau der Halle für Kunst ausgerechnet dem Thema Europa. Der Kontinent und seine Ideenwelt waren schon einmal besser beleumundet, aber gerade deshalb ist es spannend, die alten, bisweilen antiken Ideale auf ihre Zukunftsfähigkeit zu befragen. Hausherr und Kurator Sandro Droschl spricht davon, die "Kraft der Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren" und "jenseits von Nationalismen neu in die Ideengeschichte einzusteigen".

Wie problematisch diese Fragestellung ist, zeigt die Schau absichtsvoll selbst: Im Untergeschoss hat Franz Kapfer Holzschilde an Ketten gehängt, die die Logos und Embleme von neonazistischen, rechtsextremen und ultranationalistischen Gruppen zeigen. Diese Logos greifen nicht selten auf antike Symbole zurück. Die vermeintliche Verteidigung Europas, die sich diese Gruppen auf die Fahne heften, zeigt, wie missverständlich der Kampf um westliche Werte geführt wird: Ausgerechnet die, die Europa in Gestalt der EU verdammen, und Nationen und Kulturen voneinander separieren möchten, berufen sich auf jene Werte.

Die Verschlingungen von Werten mit Herrschaftsansprüchen sind ebenso im Hauptraum im Erdgeschoss spürbar, auch wenn der Umgang mit den Traditionen Europas sich dort ins Hellere wendet. Etwa in Jutta Koethers Gemälden zum „extremen Europa“, die das ewige Spannungsverhältnis zwischen Gemeinschaft und Individualität thematisieren oder bei Oliver Laric‘ Referenzen an antike Plastiken aus dem 3-D-Drucker.
Bei Barbara Kapusta transformiert sich der Begriff von Gemeinschaft auf Landschaften aus Körperfragmenten, die unweigerlich auch an die im Meer ertrinkenden Menschen gemahnen, Menschen, die gleichsam aus allen Gemeinschaften ausgestoßen worden sind und nie die Chance hatten, Teil Europas zu werden. Die vertretenen künstlerischen Positionen (unter anderem auch Franz West, Jimmie Durham, Shahryar Nashat und Steven Parrino) zeigen, dass die Befragung des Europäischen weit und undogmatisch gefasst ist, wobei es Droschl explizit weniger um das Thema Freiheit, sondern vielmehr um den Begriff der Gleichheit geht: "Die Überlegungen gehen weg vom Individuellen hin zu den Vielen."