Sie haben dem Filmmuseum soeben Ihr gesamtes filmisches Werk geschenkt. Was hat Sie dazu bewogen?
VALIE EXPORT: Ich habe mir das schon lange überlegt. Ich kenne das Filmmuseum schon seit immer. Alles Filmmaterial war schon immer hier im Depot gelagert. Diese Arbeiten und der Zugang dazu werden so lange bestehen, so lange es das Filmmuseum gibt.
Von welchen Mengen Ihres filmischen Vermächtnisses reden wir?
Es sind mehr als 200 Rollen, diverses Material von Bild, Ton, Outtakes, Rohmaterial und Alternativversionen in allen Formaten von Super-8-mm-Schmalfilm bis zu 35-mm-Kinofilm.
Ist Ihnen das Weggeben schwergefallen oder überwiegt Freude?
Ich habe schon lange überlegt: Was mache ich mit den Sachen? Hier werden sie gut betreut. Aber es muss einen rechtlichen Abschluss geben. Man muss seine Kunstwerke ordnen.
Haben Sie sich die Werke nun noch einmal angeschaut?
Nein, ich kenne sie ja gut. Ein Mal habe ich von einem Film etwas Ausgemustertes herausgenommen und in ein Werk umgesetzt – für die Serie „Left Over“.
2020 sind Sie sehr präsent. Unlängst haben Sie Ihren 80. Geburtstag gefeiert, mitten im Lockdown. Im Lentos war eine Ausstellung geplant, ein beim Crossing Europe Filmfestival geplantes Tribute ist wegen Corona ebenso ausgefallen. Es soll alles nachgeholt werden. Wie ist es Ihnen in dieser Zeit ergangen?
Am Anfang gut, da akzeptiert man das. Aber dieses Zuhausesein über Wochen ist schon schwierig gewesen, ich lebe ja allein. Immer allein rauszugehen, ist mit der Zeit nicht mehr das Aufregendste. Dann bleibt man doch wieder zu Hause. Es hat mich nicht beflügelt für neue Arbeiten. Nach dem Shutdown ist mir vieles eingefallen, das ich hätte machen können. Währenddessen war es beklemmend, freudlos. Ich brauche Temperament fürs Arbeiten. Ich muss aktiv sein können.
Einige Ihrer Arbeiten sind auch in der neuen „ Albertina Modern“ ausgestellt. Es hagelt Kritik, dass man Feministinnen oder die feministische Kunst in den Keller gesperrt hat. Wie sehen Sie das?
Ich bin nicht sehr begeistert darüber. Man hätte das ganz anders präsentieren können. Dass man alle nach unten gibt, ist zu eng. Es hätte verstreuter sein müssen. Das ist meiner Meinung nach nicht gelungen.
Ein Blick zurück: Wofür müssen Frauen nach wie vor kämpfen?
Für fast alles eigentlich. Das Wichtigste sind die gleichen Rechte in jeder Beziehung – das ist bekanntlich bei Weitem noch nicht der Fall. Das gilt auch für die gleiche Bezahlung. Mir und vielen anderen ging es um die Emanzipation. Das Wort verwendet man im Zusammenhang mit dem Feminismus gar nicht mehr. Es ging darum, sich von den Regeln und Strukturen zu emanzipieren. Jetzt hat man den sozialen weiblichen Berufen und den Supermarkt-Verkäuferinnen applaudiert und ihnen eine Prämie ausbezahlt. Die sollen lieber eine ordentliche Gehaltserhöhung bis zur Pension bekommen. Das hat niemand mehr angesprochen.
Zurück zur Albertina-Schau: Dort ist extrem sichtbar, wie männlich dieser Kanon geprägt war. War es in den 60ern, 70ern hart für Sie als Frau fast allein auf weiter Flur?
Ja, aber ich war zu dieser Zeit sehr viel im Ausland. Ich habe in Wien kaum etwas durchgeführt. Bis auf das „Tapp- und Tastkino“, das ist erstmals in Wien präsentiert worden. Ich bin sehr viel gereist, war in vielen Underground- oder Experimental-Galerien in London oder Brüssel eingeladen. Dort habe ich schon Direktoren getroffen, die sich in ihren Häusern geweigert haben, Ausstellungen von Frauen zu machen. Schon 1972 bin ich mit dem Konzept von „Magna“ herumgefahren, erst 1976 hat es stattgefunden.
Es war also kein österreichisches Phänomen?
Nein. Ich höre manchmal von Galeristinnen in Deutschland, dass manche Museen sich rarmachen, wenn es darum geht, Werke von Künstlerinnen zu kaufen. Da wird schon noch immer viel Wert auf die Künstler gelegt.