Wenn von einem Denkmal die Rede ist, hat man für gewöhnlich eine Skulptur vor Augen, die an einem bestimmten Ort steht. Anders verhält es sich mit „Što te nema“ („Warum bist du nicht hier?“), einer von der in New York lebenden Künstlerin Aida Šehović initiierten Installation.
Was 2006 mit einer einmaligen Aktion aus 923 Porzellantassen auf der Baščaršija in Sarajevo begann, hat sich im Laufe der Zeit zu einem um die Welt wandernden Denkmal erweitert, mit dem an die im Juli 1995 von bosnisch-serbischen Einheiten unter der Führung von Ratko Mladić ermordeten Bosniaken erinnert wird.
Nach 14 Stationen wie Stockholm, Istanbul, Zürich und Chicago werden die Tassen heuer dauerhaft und erstmals in Srebrenica aufgestellt und mit Kaffee befüllt. Gemeinsames Kaffee-Trinken aus traditionellen „fildzani“, kleinen henkellosen Bechern, ist der Inbegriff bosnischer Kultur und Identität, ebenso wie der Brauch, stets eine zusätzliche Tasse neben die Kanne zu stellen – für den Fall, dass sich noch jemand dazugesellt.
„Irgendwie beginnt und endet alles mit Kaffee“, erzählte die im Alter von 15 Jahren aus Banja Luka geflüchtete Künstlerin unlängst von dem Ritual, das sie nur von ihren Eltern kenne, da der Kaffee in den USA eher „to go“ getrunken werde. Es seien Augenblicke im Alltag, in denen nahe stehende und vertraute Menschen zusammenkommen, um Zeit und Gedanken miteinander zu teilen.
Das verbindende Element stand von Beginn an im Fokus des Kunstwerks, da Šehović beschloss, die Kaffeetassen durch Schenkungen zu sammeln. Denn wenn Menschen von dem Projekt hören und Tassen spenden, erzählen sie es anderen weiter, die es wiederum weitertragen. Und während Šehović den Kaffee anfangs noch selbst kochte und ausschenkte, sollte das dritte Jahr in Tuzla einen Wendepunkt darstellen. Als vorbeigehende Frauen fragten, ob sie helfen dürften, erkannte Šehović die Essenz ihres Vorhabens: Partizipation. Die eintägige Installation müsse Menschen miteinbeziehen.
Von Jahr zu Jahr entwickelte sich die Idee weiter und wandelte sich zu einem Denkmal, das Raum zum Nachdenken und zum Austausch schafft. Der Duft des Kaffees und die am Boden nebeneinander gereihten Tassen erregen ausreichend Aufmerksamkeit, damit Vorbeigehende stehen bleiben und mit den Beteiligten ins Gespräch kommen. Auf Beschilderungen oder Markierungen werde deswegen bewusst verzichtet, sagt die 1977 geborene Künstlerin.
Das mobile Denkmal, das bereits viele Jahre unter anderem mit dem Srebrenica Genocide Memorial Center und dem Sarajevoer Zentrum für Konfliktforschung und Friedensbildung zusammenarbeitet, sollte niemandem aufgedrängt werden und wechselte seine Gedenk-Städte nur auf Einladung. Vergangenes Jahr waren es 7714 Porzellantassen in Venedig, bis zum Samstag soll die Summe von 8372 gespendeten Tassen erreicht werden. Jede Tasse symbolisiert damit einen Menschen, der nicht wiederkehrt.
Von Danijela Mišić