Als Denkmal hat man es in diesen Tagen eher schwer, obwohl so manches innen drin ohnehin hohl ist: Während im Zuge der Proteste nach dem Tod des Afroamerikaners George Floydviele Denkmäler von ihren Sockeln gestürzt wurden, hat die deutsche Stadt Bremen buchstäblich über Nacht eines dazubekommen – dabei hat sie gar keines in Auftrag gegeben. Ein anonymer Künstler hat Ende Mai eine Bronzeskulptur im öffentlichen Raum aufgestellt: Ein gebeugter Mann schiebt einen leeren Einkaufswagen. Wer den dazugehörigen Barcode scannt, erhält ein Wort: „Emptiness“, also „Leere“. Eine Botschaft zur Zeit, die in Bremen innerhalb kürzester Zeit auch bei der Stadtpolitik für Begeisterung gesorgt hat, die Skulptur darf vorerst bleiben.
Beide Beispiele zeigen: Der öffentliche Raum ist alles andere als die Summe vieler Flächen, die man nur nebenbei nutzt und quert. Der öffentliche Raum ist immer auch eine Präsentationsfläche kommerzieller Interessen und seit jeher begehrte Repräsentationsfläche. Im Falle von Denkmälern heißt das: permanent sichtbar, den Raum einnehmend, über allem thronend, aber auch von der vorbeihastenden Öffentlichkeit unhinterfragt zu bleiben. Der öffentliche Raum, vor allem von jenen stiefmütterlich behandelt, die ihn nutzen. Dabei geht er uns alle an, so Elisabeth Fiedler, Chefkuratorin am Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark: „Der öffentliche Raum muss permanent verhandelt werden, für mich ist das ein Zeichen des Demokratieverständnisses und eine sehr politische Diskussion. Wem gehört er und wer kann und will sich den öffentlichen Raum zurückerobern?“
Eine Kunstform, die das zur Perfektion erhoben hat, ist Street-Art: Für ihre Protagonisten ist der öffentliche Raum eine einzige Leinwand. Deren berühmtester Vertreter heißt Banksy und seine Werke sind öffentlich gemachte Kritik an Politik, Gesellschaft, Kapitalismus, die über den virtuellen, öffentlichen Raum weltweit verbreitet wird. Ob illegale oder legale Kunst, beides hat im öffentlichen Raum eine wichtige Funktion: „Kunst kann die richtigen Fragen stellen, Fragen, die gerade jetzt vakant sind. Es ist eine Auseinandersetzung mit der Welt und mit dem Zustand der Welt“, so Fiedler, deren Institut aktuell einen Wettbewerb für ein Coronadenkmal ausgeschrieben hat.
Im Gegensatz zu illegaler Kunst durchläuft legale Kunst im öffentlichen Raum meist einen Marathon durch die Institutionen. Warum sich das auszahlt, zeigt ein Kunstwerk, das seit 2016 vor dem Geschichte-Institut an der Uni Graz steht: „Monument to a Destroyed Monument“ (Denkmal für ein zerstörtes Denkmal) von Anna Jermolaewa.
Als 2015 in der Ukraine Hunderte Lenin-Statuen gestürzt wurden, war es nicht getan: Die Sockel und Überreste der Denkmäler hatten immer noch Einfluss auf die Menschen. Ihr Monument ist auch eine Erinnerung daran, dass dem Bildersturz die geschichtliche Aufarbeitung folgen muss.