Im Gespräch mit der APA äußert sich HGM-Chef M. Christian Ortner zur viel geforderten Erneuerung des Saals 1918-1945, Rufen nach einer Zusammenlegung mit dem Haus der Geschichte Österreich (hdgö) und einer ebenfalls angeregten Ausgliederung aus dem Verteidigungsministerium. Zu den kritisierten "Braunen Flecken" in seinem Haus und einzelnen Mitarbeitern will er sich nicht äußern. Bei der anstehenden Neuausschreibung seines Postens will er sich wieder bewerben.
Ihr Haus stand zuletzt heftig in der Kritik. Wie sollte ein Heeresgeschichtliches Museum im 21. Jahrhundert Ihrer Meinung nach aussehen?
M. Christian Ortner: Ich glaube, dass die große Schwierigkeit für ein Heeresgeschichtliches Museum darin liegt, dass Heeresmuseen grundsätzlich polarisieren, weil sie sich mit unangenehmen Fakten der Geschichte beschäftigen. Und jeder hat in seiner Familiengeschichte unterschiedliche Bezüge dazu - vom Gefallenen bis zum Täter. All das muss berücksichtigt werden. Man muss also einen möglichst breiten Zugang für diese Thematik wählen. Natürlich wünsche ich mir dafür das, was sich jeder Museumsdirektor wünscht: mehr Platz und mehr Geld.
Sie haben bei Ihrem Amtsantritt im Jahr 2007 ein Haus übernommen, das zu unterschiedlichen Zeiten bestückt wurde. Anlässlich des Gedenkjahres zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs haben Sie 2014 den betreffenden Saal erneuert. Das ist mittlerweile sechs Jahre her. Wie steht es um weitere Modernisierungen?
Ortner: Im Prinzip hat jeder Museumsleiter eine Menge an Erbe in seinen Häusern, was nicht uninteressant ist, weil man damit auch unterschiedliche pädagogische Ansätze nachvollziehen kann. Zum anderen ist natürlich ein Umbau, eine Neugestaltung oder Modernisierung nicht nur vom Inhaltlichen abhängig, sondern auch von den logistischen Rahmenbedingungen. Wir modernisieren sukzessive alle Säle, von der modernen, zweisprachige Beschriftung bis hin zur Verbesserung von Beleuchtung und Konservatorik. Dazu kommen laufend leichte Eingriffe auch in die Gestaltung.
Es gab vor allem Kritik an der mangelnden Kontextualisierung im Saal 1918-1945. Wie wollen Sie darauf reagieren?
Ortner: Die Frage der Kontextualisierung ist besonders interessant. Da gibt es einerseits das Verhältnis von Text zu Objekt, andererseits die Frage, wie man die Objektensembles zueinanderstellt. Hier geht es etwa darum, Täter und Opfer in Relation zu bringen. Für mich war es ganz wichtig, dass wir in diesem Saal, der ja über 20 Jahre alt ist, moderat beginnen, einzelne Objekte herauszunehmen und neue hineinzugeben. Das ist in den vergangenen Jahren auch sukzessive erfolgt. Das zweite, was mir ganz wichtig ist, ist das pädagogische Programm, von denen wir bisher insgesamt sechs entwickelt haben. Wir lassen keine Schulgruppe alleine herein. Die Gruppen buchen diesen Saal sehr stark, weil er natürlich zu Diskussionen anregt, was wir uns ja durchaus wünschen.
Aber planen Sie eine ähnlich große Modernisierung wie im Saal zum Ersten Weltkrieg?
Ortner: Selbstverständlich wäre dieser Saal einer jener Säle, die einer intensiveren Veränderung anheimfallen würden. Aber wir haben noch größere Baustellen, die Priorisierung wird ressourcenabhängig sein. Wenn man einen Zwischensaal wie diesen (der in den Marinesaal mündet) neu macht, muss man auch den Endsaal neu gestalten. Da müsste man den kompletten Flügel schließen. Das ist kostenintensiv. Aber wenn die Ressourcen aufgestellt würden, würde ich es machen.
Welche sind die von Ihnen genannten größeren Baustellen?
Ortner: Für uns selbst ist insbesondere das Obergeschoß ganz entscheidend, vor allem jener Saal, der sich mit den Kriegen gegen das Osmanische Reich beschäftigt. Dort haben wir ein erhebliches Problem mit der Konservatorik und der Beleuchtung, auch der Boden ist nicht mehr der allerneueste. Wir wissen, dass der Saal beim Publikum sehr gut ankommt, weil er ein Museum in Museum ist. Aber wir müssen da was tun und ich hoffe, dass die Mittel frei gemacht werden im Ressort, sodass ich diesen Saal in Angriff nehmen kann.
Was spricht dagegen, die begonnenen Veränderungen im Saal 1918-1945 zu intensivieren und Opfer und Bevölkerung mehr in Fokus zu stellen?
Ortner: Sie werden lachen: Die neuen Texte und Tafeln sind eigentlich schon längst fertig gewesen. Das war für letzten Herbst geplant. Die Installierung mussten wir damals aufgrund der Einrichtung der Kommission stoppen. Die Ergebnisse der Kommission sollen dann ja in die neuen Beschriftungen einfließen. Was wir bisher schon gemacht haben war, einzelne Objekte zu entnehmen und andere beizufügen. Im Rahmen der Neubeschriftung wäre innerhalb der Vitrinen auch eine Neuordnung vorgenommen worden. Die Pläne waren alle schon fertig.
Im Zuge der Kritik gab es auch die Diskussionsveranstaltung #HGMneudenken, die nicht von Ihnen organisiert worden ist, an der aber Ihre Mitarbeiter als Zuhörer teilgenommen haben. Haben Sie sich mit den Ergebnissen auseinandergesetzt und fließen sie in Ihre Arbeit ein?
Ortner: Wir waren leider de facto ausgeschlossen. Wir wurden nicht eingeladen, eigene Beiträge zu liefern. Nachdem wir uns Kritik von außen nicht verschließen, habe ich meine Mitarbeiter gebeten, als Besucher teilzunehmen. Ich weiß ganz genau, welche Vorschläge gemacht worden sind. Zudem gibt es ja auch die Erhebungskommission, die ihren Bericht demnächst vorlegen wird. Wir werden alles zusammenfassen. Es gibt viele gute Ideen von außen, die wir berücksichtigen werden.
Waren Sie von der intensiv geführten Debatte um Ihr Haus im Herbst überrascht?
Ortner: Ja, ich war eigentlich ein bisschen überrascht von dieser spontanen Empörung. Der Saal (1918-1945) ist von meinem Vorgänger kuratiert und eröffnet worden. Das war 1998 die erste ständige Schau zu dem Zeitabschnitt. Es war damals geplant, dass es ein Ort des Diskurses wird. Das ist auch passiert, vielleicht zu wenig. Im Herbst ist diese Diskussion intensiver ausgebrochen, ich bin da durchaus dankbar, weil ich die entsprechende Aufmerksamkeit habe, um möglicherweise Mittel zu bekommen, auch diesen Saal zu modernisieren.
Wenn Sie die Mittel für diesen Saal hätten, was wäre Ihre Vision?
Ortner: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir vor allem ein Heeresgeschichtliches Museum sind, kein Zeitgeschichtemuseum. Damit beschäftigen sich in Österreich sehr viele, von den Landesmuseen bis zu Bezirksmuseen. Ich glaube, dass der rote Faden bei uns stärker in der Darstellung der Geschichte der Streitkräfte sein sollte, aber eingebettet in einen gesellschaftlichen Rahmen. Gerade das Bundesheer der Ersten Republik kann man nicht verstehen, ohne die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu kennen. Ich hätte da schon gute Ideen, die behalte ich aber vorerst noch für mich.
Was erwarten Sie sich vom Rechnungshof-Bericht, der auch demnächst veröffentlicht werden soll?
Ortner: Das ist nicht meine erste RH-Überprüfung. Ich bin da sehr offen. Manchmal entdeckt ein Außenstehender Dinge, die man vielleicht nicht erkannt hat. Die letzte Überprüfung hat uns auf einen sehr guten Weg gebracht. Wir haben viel angenommen, haben mittlerweile die Besucherzahlen verfünffacht und Einnahmen vervierfacht. Da waren viele gute Vorschläge dabei, die wir umgesetzt haben. Ich bin gespannt auf den neuen Bericht. Dann werden wird das in aller Ruhe abarbeiten.
Ihre Zukunft als Direktor ist offen, das Verteidigungsministerium plant demnächst eine Neuausschreibung. Werden Sie sich bewerben?
Ortner: Wenn ausgeschrieben wird, werde ich mich selbstverständlich wieder bewerben.
Was wären Ihre größten Vorhaben in einer neuen Periode?
Ortner: Es geht vor allem um eine räumliche Erweiterung des Hauses. Wir enden derzeit 1945, der Zeitraum 1918 bis 1945 ist auch sehr komprimiert dargestellt. Manche Themen kann man nur anreißen und kurz skizzieren, da wäre mehr Platz förderlich gewesen. Im Arsenal gibt es ein paar Möglichkeiten, aber das kostet natürlich Geld, Geld, Geld.
In der Diskussion wurde auch immer wieder eine Fusion mit dem Haus der Geschichte Österreich (hdgö) genannt. Was halten Sie davon?
Ortner: Die Diskussion um ein "Haus der Geschichte" ist eine sehr alte, die nicht immer sachlich, dafür aber sehr emotional geführt worden ist. Ich halte es nicht für sehr klug, DAS "Haus der Geschichte" zu schaffen, da wir so viele gute Einrichtungen - Landesmuseen, Gemeindemuseen, Bezirksmuseen - haben. Denen jetzt die besten Stücke wegzunehmen, würde die Häuser schädigen. Das halte ich nicht für sehr fair. Es ist die Frage, ob man das "Haus der Geschichte" nicht in größerem Rahmen andenkt, etwa in digitalisierter Form, barrierefrei zugänglich. Da kann man den Schulen pädagogische Pfade zur Verfügung stellen und die Objekte können bleiben, wo sie sind.
Das klingt danach, als hätten Sie keine große Freude mit dem hdgö in der Neuen Burg?
Ortner: Ich glaube, dass die jetzige Unterbringung eine wenig Gelungene ist. Ähnlich wie hier kann man gewisse Probleme nur andeuten und hinterlässt die Frage, ob das schon alles ist. Auch ein Neubau wird niemals ausreichen können. Alle paar Jahre gibt es neue Perspektiven und man müsste wieder umbauen. Was mir gefallen würde: Eine Bundesausstellungshalle, wo die Republik die großen Jubiläumsausstellungen mit wechselnden Kuratoren und Sonderausstellungen gestaltet. Bei Sonderausstellungen bekommt man schließlich auch die hochwertigen Leihgaben. Da werden alle Institutionen froh sein, wenn man an sie herantritt.
Es gab auch Diskussionen, ob das HGM ein Bundesmuseum unter den Kulturagenden werden sollte. Was halten Sie davon?
Ortner: Ich halte das für eine nicht sehr sinnvolle Idee. Das zeigen auch die internationalen Beispiele. So ein Museum kann ohne die logistische Leistung der Streitkräfte nicht existieren. Wenn Sie einen Kampfpanzer mit 60 Tonnen 100 Meter transportieren wollen, bräuchten Sie eine Schwerlastfirma. Wir haben das mal errechnet. Vermutlich wäre das HGM Mitte des Jahres nicht mehr wirklich zahlungsfähig, wenn man alle Leistungen zukaufen müsste. Beim Heer hat man die Manpower und die Ressourcen. Ich fühle mich im Verteidigungsministerium wirklich gut aufgehoben.
Sonja Harter/APA