Haben Maschinen die Kontrolle übernommen? Betrachtet man die unzähligen Lebensbereiche, die nicht ohne digitale oder technische Helferlein denkbar sind, scheint das durchaus plausibel. Dem Verhältnis von Mensch und Maschine widmet sich heuer das donaufestival in Krems: Unter dem Motto "Machines Like Us" gibt es muskelzuckende Performances, technoide Klänge und einen Ausflug nach Zwentendorf.
Dem vielschichtigen Ansatz des Multispartenfestivals getreu, gibt man sich keineswegs mit einer einfachen Einordnung des Themas zufrieden. "Uns interessiert nicht die Frage nach dem Ersatz des Menschen", erteilte der künstlerische Leiter Thomas Edlinger bei der Pressekonferenz am Donnerstag allfälligen dystopischen Anwandlungen eine Absage. Vielmehr rücken an den zwei Wochenenden (24. bis 26. April und 30. April bis 2. Mai) "die Verwobenheit und das gesellschaftliche Ganze" in den Fokus. "In der kybernetischen Technosphäre werden Menschen immer maschinenähnlicher, während wir Maschinen programmieren, damit sie immer mehr verstehen."
Als quasi aufgelegt könnte man "NO.HUMANS.INVOLVED" der erstmals in Österreich gastierenden, südafrikanischen Künstlerin Nomcebisi Moyikwa bezeichnen. Ihre Performance nutzt Erzählstrukturen des Afrosurrealismus, um "das Sein und Blackness zu reflektieren", wie es im Programmheft heißt. Die Dominikanerkirche wird wiederum zum Schauplatz der Uraufführung von "Fire Walk With Me", mit der Ariel Efraim Ashbel - bereits 2017 mit einem kruden Sammelsurium aus Performanceideen in Krems zu Gast - die Grenzen von Horror und Komödie in dem sakralen Raum verschwimmen lassen will.
Grassierender Smartphone-Wahn
Ebenfalls eine Auftragsarbeit ist "untamed cozy care" der österreichischen Choreografin Lisa Hinterreithner, die wieder das Menschliche hervorhebt: Es geht nämlich um Berührungen, was im Kunstbetrieb ja nicht gerade alltäglich ist. So leisten ihre Performer "care work" - wenn man sich darauf einlässt. Den grassierenden Smartphone-Wahn will hingegen Johannes Paul Raether den Besuchern austreiben ("Protekto.x.x. 5.5.5.1"), und das Amsterdamer Kollektiv Metahaven erschüttert mit dem Film "Chaos Theory" in der Kunsthalle Krems "unsere gemeinsame Basis sprachlicher Gewissheit", so Performanerkuratorin Astrid Peterle. "Algorithmic Rituals" von drei Robotern setzen Susanne Kennedy und Markus Selg als Installation in Szene.
Traditionell den größten Anteil der heuer 93 Einzelveranstaltungen stemmt die Musikschiene des donaufestivals: "Ein kontrastreiches Panorama von Gegenwartsmusik" versprach Edlinger diesbezüglich und kann neben bekannten Namen wie den Lärmgöttern Swans, dem britischen Rap-Neudeuter Ghostpoet oder dem Duo Lee Ranaldo und Raül Refree beispielsweise mit Bendik Giske aufwarten. Bei seinen Auftritten bringt der norwegische Saxofonist an seinem ganzen Körper Mikrofone an, womit der kraftraubende Akt des Spielens selbst in den Gesamtsound einfließt. Für ins Mark fahrende Sounds ist auch Krachfetischist Helge Sten alias Deathprod zu haben, einen avantgardistischen Popentwurf serviert Sophie und das heimische Gespann Jung An Tagen & Rainer Kohlberger stellt sich mit einer audiovisuellen Auftragsarbeit vor.
Landausflug per Shuttlebus
Dass das donaufestival schon mal die Kremser Stadtgrenze verlässt, ist nicht neu. Heuer wird der gemeinsame Landausflug per Shuttlebus aber eine ganz besondere Sache, konnte man doch die frisch gebackene Oscar-Preisträgerin Hildur Gudnadottir (prämiert für die "Joker"-Filmmusik) gewinnen. Sie wird im nie in Betrieb gegangenen AKW Zwentendorf ihre für die erfolgreiche Serie "Chernobyl" komponierten Klänge in äußerst passendem Umfeld aufführen. Unterstützung erhält Gudnadottir für die beiden Konzerte am 1. und 2. Mai von Chris Watson und Sam Slater. Keine großen Turbinenhallen braucht hingegen Robert Henke: Der deutsche Musiker nutzt einfach fünf beinahe schon als historisch zu bezeichnende Commodore-Computer für das Projekt "CBM 8032 AV", das mit eigenwilligen Klängen in die Donau-Universität lockt.
Ein bisschen Ausdauer wird also notwendig sein, um zwischen den Hotspots rund um den Klangraum Krems Minoritenkirche sowie die Festivalzentrale beim Messegelände auch nichts zu verpassen. Erstmals wird heuer zudem der Dom der Wachau genutzt, wo sich Ellen Arkbro an der Pfeifenorgel ausleben darf. Fixpunkte sind zudem das Talk- und Filmprogramm im Kino im Kesselhaus. Und wer sich neben dem Programm vor Ort noch tiefer in das Festivalthema einlesen will, für den gibt es erneut einen Reader mit 14 Essays, die das Mensch-Maschinen-Verhältnis durchdeklinieren und fortspinnen.