Die Stadt Gent feiert 2020 wenn schon nicht ihren bekanntesten Sohn, so doch jenen Künstler, der den bekanntesten Kunstschatz der flämischen Stadt schuf: Jan van Eyck. Der Gründungsvater der altniederländischen Malerei und sein Genter Altar stehen heuer im Zentrum eines ganzen Jubeljahres. Am Samstag, 1. Februar,  wird das heurige Van-Eyck-Jahr nun mit einer epochalen Ausstellung eingeläutet.

Dann eröffnet das Museum der Schönen Künste Gent seine Schau "Van Eyck. Eine optische Revolution", die von 1. Februar bis 30. April 2020 zu sehen ist und als größte je gezeigte Schau zum Œuvre des Malers präsentiert wird. Elf der erhaltenen 20 Werke Van Eycks sowie die acht frisch restaurierten Außentafeln seines Genter Altars sind hier versammelt und werden mit Werken aus der Werkstatt und von Zeitgenossen konfrontiert. Die Inszenierung der umfangreichen Kollektion gestaltet sich dabei weitgehend klassisch, meist ohne multimediale Begleitung. Dennoch haben sich die Kuratoren getraut, etwa mit der Präsentation von in den Gemälden gezeigten Gegenständen über die reine Leinwand hinauszudenken.

Leihgaben aus Österreich

Auch Österreich ist dabei als Leihgeber vertreten, hat doch das Kunsthistorische Museum (KHM) mit dem "Bildnis des Jan de Leeuw" (1436) einen seiner beiden Van Eycks für die Schau zur Verfügung gestellt. Beteiligt ist überdies die Albertina etwa mit ihrer von einem anonymen Brügger Künstler geschaffenen Reihe mit den zwölf Aposteln als Van Eyck nahe stehendes Konvolut, das erstmals überhaupt in toto außerhalb des Hauses zu sehen ist.

Altarplatten in der Jan van Eyck-Ausstellung
Altarplatten in der Jan van Eyck-Ausstellung © APA/MARTIN FICHTER-WÖSS

13 Säle

Die über 13 Säle verteilte Schau selbst gliedert sich in thematische Blöcke wie "Sünde und Erlösung", "Der Raum" oder "Das göttliche Porträt", wobei der Fokus mit verschiedenen Vergleichsarbeiten stets auf dem Titelthema der optischen Revolution liegt. Ein wesentlicher Faktor hierbei sei Van Eycks Fähigkeit, mit ungetrübtem Blick die Wirklichkeit auf Leinwand zu bannen, unterstrich Co-Kurator Maximiliaan Martens bei der Präsentation der Schau am Mittwoch.

"Er hat einen Weg zum spirituellen Sehen geöffnet", zeigte sich Martens überzeugt vom christlichen Aspekt in Van Eycks Arbeit. Im Kern sei es in den optischen Theorien stets um die philosophische Frage gegangen, wie und ob man Gott sehen könne. Zugleich sei der technische Aspekt in Van Eycks Œuvre nicht zu unterschätzen: "Er hat die Technik der Ölmalerei verbessert und sie zu einem handhabbaren Medium gemacht."

Nach dem Auftakt

Bei allen Superlativen stellt die große Ausstellung aber nur den Auftakt der übers Jahr verteilten Feierlichkeiten in Gent dar, die unter dem sympathisch-ironischen Titel "OMG! Van Eyck was here" stehen und als Emblem einen der singenden Engel des Van-Eyck-Altars haben, der sich in Verbindung mit dem Wahlspruch zu einen mit offenem Mund Staunenden wandelt. Nach Rubens 2018 in Antwerpen und Bruegel 2019 in Brüssel bildet nun heuer Gent den Abschluss eines Altmeistertriples zu den flämischen Altmeistern.

Zentralbild des Genter Altars
Zentralbild des Genter Altars © APA/AFP/Belga/DIRK WAEM

Der wichtigste Kunstschatz

Denn auch wenn die persönliche Beziehung des lange in Brügge gelebt habenden Van Eycks zu Gent überschaubar ist, so verdankt die mittelalterliche Handelsmetropole dem Maler doch ihren wichtigsten Kunstschatz: Den Genter Altar in der St.-Bavo-Kathedrale. Der Abschluss der 2012 begonnen Restaurierung von dessen Außentafeln stellt gleichsam den Anlass für das Feierjahr dar.

Die anfänglich als reine Auffrischung gedachte Arbeit habe sich allerdings schnell ausgewachsen, erinnert sich Hilde De Clercq, Direktorin des belgischen Kulturerbeinstituts: "Anfangs dachten wir, wir betrachten Van Eyck." Nach eingehender Prüfung sei jedoch klar geworden, dass die Arbeiten gut 100 Jahre nach Entstehung des Altars um 1435 herum großflächig bearbeitet wurden. "70 Prozent wurden übermalt", so De Clercq. Die Rückführung auf das Original zeigte dabei einige für heutige Augen amüsante Nebeneffekte wie etwa das Antlitz des zentralen Lamm Gottes, das sich durch die Restaurierung vom stoischen Wollträger zum menschelnden Schafsgesicht mit ungewohnter Ohrenstellung wandelte, was bereits im Internet für Amüsement sorgt.

Höhepunkt zum Abschluss

Genau in Augenschein nehmen können Kunst- und Lamminteressierte dies ab 8. Oktober, wenn in der St.-Bavo-Kathedrale ein neues Besucherzentrum zum Altar eröffnet - als beschließendes Highlight des Festjahres. Dazwischen liegen Performances wie Milo Raus "Lamm Gottes" im Nationaltheater, die Uraufführung eines Arvo-Pärt-Stückes namens "Agnus Dei, the adoration of the lamb", themenspezifische Stadtführungen und Kochbücher und nicht zuletzt weitere Ausstellung in den Museen der Stadt. OMG!