"Österreich ist mit Sicherheit für sein einzigartiges kulturelles Erbe bekannt", so der von einem Empfang mit US-Präsident Donald Trump herbeigeeilte Außenminister in seiner Ansprache: "Es ist jedoch weniger bekannt, dass Österreich auch in der modernen Architektur eine Vorreiterrolle einnimmt. Um die Wende des 20. Jahrhunderts waren in Wien einige der weltweit führenden Architekten beheimatet. Darunter sind nicht nur bekannte Pioniere und Modernisten wie Adolf Loos, Otto Wagner, Josef Hoffmann, Richard Neutra und Friedrich Kiesler, sondern auch beeindruckende Architektinnen wie Ella Briggs."
Diese Architekten und Architektinnen, das will man mit der New Yorker Schau verdeutlichen, haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die US-amerikanische Landschaft ausgeübt. Die eleganten, südkalifornischen Flachdachvillen von Richard Neutra (1892-1970) sind heute Ikonen der Architekturgeschichte. Der gebürtige Wiener, Schüler von Adolf Loos, Erich Mendelsohn und dem Schweizer Landschaftsarchitekten Gustav Ammann, emigrierte 1923 in die USA. Das Lovell House (1927-29) in Los Angeles mit den weiten, hellen Durchblicken verschaffte ihm Weltruhm.
Friedrich Kiesler (1890-1965), als Sohn jüdischer Eltern im österreichisch-ungarischen Czernowitz geboren, war ein wichtiger Theoretiker und später Dekorateur der Auslagen von Saks auf der Fifth Avenue, Bühnenbildner für die Juilliard School of Music, schließlich Direktor des 1937 von ihm an der Columbia University gegründeten Laboratory for Design Correlation.
"Es gibt eine Reihe von Architekten wie Kiesler und Neutra, die hier in den USA ihre Hauptwerke hinterlassen haben", so Schallenberg im APA-Gespräch: "Aber wir dürfen etwas nicht unterschätzen: die Wiener Moderne umfasst ganz wesentlich auch Architektur. Der Einfluss von Otto Wagner oder die Schriften von Adolf Loos haben einen Effekt gehabt, der weit über die Grenzen des europäischen Kontinents hinausgeht. Das waren Vordenker. Und ich finde es schön, dass das einmal gezeigt wird."
Die Galerie des Kulturforums wurde in fünf Themenbereiche unterteilt, die über 100 Objekte (Modelle, Fotografien, Baupläne und Zeichnungen) von mehr als 30 Architekten und Architektinnen zeigen, darunter Coop Himmelb(l)au, Herwig Baumgartner, Duks Koschitz, Rudolph Schindler, Josef Frank, Ella Briggs, Elizabeth Close, Erwin Hauer, Adolf Loos, Hans Hollein, Mark Mack, Carl Pruscha und viele andere.
Der erste Bereich, "Primitive Domänen" genannt, betrachtet Gebäude, die aus geometrischen Grundelementen in der Landschaft bestehen. Im unteren Zwischengeschoß werden im Abschnitt "Aggregate Familien" komplexere algorithmische Kompositionen untersucht. Die Hauptgalerie ist in zwei Kategorien unterteilt: "Urbane Erdbewohner", die sich mit der kontextuellen Platzierung von Gebäuden in der städtischen Umgebung befassen, und "Wolkennaturen", die sich Umweltinteressen in der Architektur und ihrer Gestaltung widmen. Der fünfte und letzte Raum, "Medienatmosphären", beleuchtet die atmosphärischen Auswirkungen der Architektur auf den menschlichen Zustand.
Zusammengestellt wurde die Schau innerhalb von nur vier Monaten unter Hochdruck von Stephen Phillips, einem Architekten, Historiker, Gelehrten und Gründungsdirektor des Cal Poly Los Angeles Metropolitan-Programms für Architektur und Städtebau, zusammen mit Axel Schmitzberger, einem Architekten, Grafikdesigner und Pädagogen, der Direktor von domaen Inc. ist.
"Es geht quasi um die Frage: Gibt es so etwas wie ein österreichisches Architektur-Gen?" sagt Schmitzberger. "Ich glaube, es gibt sehr enge Beziehungen, die hauptsächlich durch den Austausch mit unterschiedlichen Kulturen stattfinden. Die meisten Architekten, die wir als einflussreich bezeichnen, sind jene, die nicht in Österreich bleiben. Das sind die Ausgewanderten, die Ausgestoßenen, die "Misfits" wie Peter Trummer gesagt hat, die einfach nicht reinpassen und etwas anderes suchen, zum Beispiel Friedrich St. Florian, Raimund Abraham, Hans Hollein, Julia Koerner und andere."
Auf den Spuren von Rudolph Schindler und Richard Neutra ist Mark Mack, ein weiterer Österreicher und Ausgewanderter, der in Kalifornien Architekturgeschichte geschrieben hat. "Ich bin aus Österreich geflohen, wegen der kulturellen Trübheit, die es damals gab", sagte er gestern in einer Diskussionsrunde.
"Ich bin fasziniert, was ich in dieser Ausstellung lerne, was alles an Österreichischem in Dinge eingeflossen ist, die ich früher für amerikanisch gehalten habe", erzählt der Leiter des Kulturforums, Michael Haider, der APA. Der geistige Vater der Shoppingmall, eine ur-amerikanische Kreation, war beispielsweise Victor Gruen (1903-1980), der Teil der neuen Schau ist. Gruen, der Erfinder der ersten Wiener Fußgängerzone, ersann mit dem Southdale Center das erste überdachte, klimatisierte Einkaufszentrum, das 1956 in Minneapolis eröffnet wurde. Als sein Architekturbüro 1938 von den Nationalsozialisten aufgrund seiner jüdischen Herkunft enteignet wurde, emigrierte er in die USA.
"In den Jahren 1938 und 1939 wurden viele Österreicher - einige der besten und klügsten - von den Nationalsozialisten aus ihrem Heimatland vertrieben. Einige von ihnen fanden als Exilanten - Flüchtlinge - einen sicheren Hafen in den USA", so Schallenberg, "und sie haben ein Vermächtnis hinterlassen; Teil ihres Erbes ist das Österreichische Kulturforum, das 1942 von Exilanten hier gegründet wurde."
Es gäbe keinen besseren Ort für diese Schau. Da, wo früher ein Stadthaus stand, steht seit 2002 der ikonische Turm von Raimund Abraham (1933-2010). Der in Lienz geborene und später nach New York übersiedelte Architekt war durch seinen spektakulären Entwurf des Kulturforums bekannt geworden. In diesem Sinne ragt das Wahrzeichen des österreichisch-amerikanischen Architekten, das mit Dolchklingen und Guillotinen, Thermometern, Metronomen und Osterinseltotems verglichen wurde, als geeignetes Schaufenster in der Skyline von Manhattan hervor: als Triumph und vielleicht auch Warnung.