Die Kunstbiennale Venedig hat sich am Dienstag erstmals den Medien präsentiert. Renate Bertlmann legt ihren Beitrag im Österreich-Pavillon retrospektiv an: Die Performancekünstlerin zeigt vor allem Zeichnungen und Fotos zu ihrem radikalfeministischen Œuvre der 70er- und 80er Jahre. 312 rote Glasrosen aus Murano geben im Hinterhof aber auch eine Hommage an die Handwerkstradition der Lagunenstadt.
Jahrzehntelang waren die Arbeiten von Renate Bertlmann auch unter Interessierten kaum bekannt, und erst mit einer "Wiederentdeckung" vor wenigen Jahren begann sich diese Situation langsam zu verändern. Auf der 58. Kunstbiennale, die am Samstag offiziell eröffnet wird, positioniert Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein die nunmehr 76-jährige Wienerin auch für ein internationales Publikum als eine zentrale Figur der feministischen Performancekunst Österreichs. Bertlmanns besondere Bedeutung wird auch dadurch unterstrichen, dass sie als erste österreichische Repräsentantin den 1934 von Josef Hoffmann und Robert Kramreiter errichteten Bau als Einzelkünstlerin bespielen kann.
Obwohl die Künstlerin vor der Fassade des Pavillon in geschwungenen Lettern "Amo, ergo sum" ("Ich liebe, also bin ich") montieren ließ, eine Anspielung an ein Ausstellungsprojekt aus dem Jahr 1982, nennt sich ihr Biennale-Beitrag programmatisch "Discordo, ergo sum" ("Ich widerspreche, als bin ich"). Bertlmanns radikale Widerborstigkeit wurde und wird insbesondere in ihren historischen Performances deutlich, die als ein quasi Best of ihres Schaffens in Venedig präsentiert werden. Inhaltlich drehte sich in diesen Arbeiten fast alles um Sexualität, Pornografie sowie Machtfragen im Geschlechterverhältnis.
In "Deflorazione in 14 Stazioni" (1978) beschäftigte sich die Künstlerin in einer Performance mit Entjungferung, in "Let's dance together" rief sie an einen Rollstuhl gefesselt zum Mittanzen auf, in "Schachmatt Wien-Moskau" fungierten Penisse als Schachfiguren. Abgesehen von männlichen Geschlechtsorganen sind in der Ausstellung auch Bertlmann'sche Markenzeichen wie Schnuller, Kondome sowie andere stumpfe wie spitze penisförmige Gebilde zu sehen. Im Eingangsbereich wird die Ausstellung erst ab einem Alter von 12 Jahren empfohlen. Aber auch manche Erwachsene dürften auf die Radikalität der Wiener Künstlerin eher verstört reagieren.
Abgesehen vom dokumentarischen Teil im Innenraums des Pavillons, der im Unterschied zu klassischen Performance-Ausstellungen auf Videodokumentationen völlig verzichtet, schuf die Künstlerin aber auch eine neue Installation, die als stärkstes visuelles Moment ihrer Ausstellung gelten darf. Im Hinterhof wurden 312 roten Rosen aus Murano-Glas auf Fleischspieße drapiert. Aber auch hier spielt das Retrospektive eine zentrale Rolle: Spieße zählen als sichtliches Phallussymbol zu einem Standardelement von Bertlmanns Werk.